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Getränkehandel

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Getränkehandel: Damit die Korken knallen

Vor Weihnachten und Silvester machen Getränkehändler einen großen Teil ihres Jahresumsatzes. Doch die Konkurrenz in Berlin ist groß. Darunter leiden vor allem kleinere Firmen.

In seinem Betrieb scheppert es derzeit gewaltig, das macht Frank Reichel zu einem glücklichen Chef. Wenn der Geschäftsführer und Inhaber der Löffelsend & Wein Compagny morgens um acht Uhr mit der Arbeit beginnt, herrscht in seinem Logistikzentrum in Falkensee schon seit zwei Stunden hektisches Treiben. Surrend manövrieren Elektrohubwagen im 5000 Quadratmeter großen Lager Getränkepaletten zu den Lastwagen an der Laderampe. Fahrer rufen durch die Halle, um Lieferadressen abzuklären. In drei Schichten von montags bis sonnabends läuft der Betrieb, der letzte von 13 Lastern kehrt derzeit erst nachts um 22 Uhr zurück. „Bei uns brennt die Hütte“, sagt Reichel. Die Vorweihnachts- und Silvesterzeit beschert dem Getränkegroßhändler volle Auftragsbücher. 25 Prozent Absatzplus im hochpreisigen Wein- und Spirituosensortiment verzeichnet die Wein Compagny seit November. 2000 Flaschen Qualitätswein hat ein Berliner Fünf-Sterne-Hotel gerade für eine große Silvesterparty geordert – 1300 Gäste werden erwartet. Und während Hotels dieser Klasse im Jahresschnitt etwa 4000 bis 5000 Flaschen Champagner verbrauchen, steigt die Absatzkurve des teuren Schaumweins laut Reichel zum Jahreswechsel oft um 300 Flaschen.

Vor Weihnachten und Silvester machen die Berliner Getränkegroßhändler einen Großteil ihres Jahresumsatzes. Das gilt zumindest für jene, die wie Löffelsend hauptsächlich Wein und Spirituosen verkaufen. Für Firmen mit einem breiteren Sortiment ist der Berliner Absatzmarkt oft weniger ergiebig. Der Wettbewerb ist hart, auch wenn es in der Hauptstadt eine riesige Zahl potenzieller Abnehmern für die Getränke der Großhändler gibt: Hotels und Gaststätten. Auch der Getränkegroßhandel profitiert vom boomenden Tourismus.

„Wegen der Vielfalt der Besucher, aber auch der Bewohner, lassen sich hier neue Getränke außerdem ganz anders testen als in anderen Städten“, sagt Jan Pörksen, Branchenkoordinator Handel bei der Industrie- und Handelskammer Berlin. Das macht den Standort auch für Produzenten attraktiv. Etwa für Brauereien, die seit einiger Zeit zunehmend selbst ins Berliner Großhandelsgeschäft einsteigen und Betriebe aufkaufen. Diese Entwicklung bedroht kleinere Unternehmen, wie etwa die Firma Braukunst aus Prenzlauer Berg. „Man kann einigermaßen überleben, aber die Gastronomie wird zunehmend von den Großen beliefert“, sagt Inhaber Martin Balke, der 400 Sorten Bier vertreibt und vor allem an Kneipen liefert.„Das Getränkegeschäft in Berlin ist das härteste in der Republik. Geiz ist hier besonders geil, weil die Einwohner wenig Geld haben." Fürs neue Jahr hofft er auf die Fußball-EM.

Noch aber verzeichnet die Industrie- und Handelskammer Berlin unter dem Branchenschwerpunkt Getränkegroßhandel 300 Einträge. Dazu kommen viele kleine Händler, die in der Statistik nicht eindeutig zuzuordnen sind. „Die harte Konkurrenz in Berlin macht die Preise kaputt“, klagt etwa Nicolai Krug von Nidda, Geschäftsführer von Getränke Nordmann in Zehlendorf. Die Firma habe ein breites Sortiment, spüre deshalb den Preiskampf mehr als spezialisierte Großhändler. Trotzdem habe Nordmann den Umsatz im zurückliegenden Jahr um 15 Prozent gesteigert – und das, obwohl 2006 mit der Fußball-WM ein außergewöhnlich ertragreiches Jahr vorausgegangen sei. Und auch für die Weihnachts- und Silvesterzeit könne das Unternehmen ein dickes Auftragsplus verzeichnen. Die Auslieferungen hätten sich seit Oktober verdoppelt.

Weniger gut geht es dem Alno Bier und Brause Depot in Schöneberg. „Es heißt immer ‚der Aufschwung‘, aber wir fragen uns, wo der ist“, sagt Geschäftsführer Alfred Glaser. Im Dezember seien seine Umsätze nicht viel besser als in den anderen Monaten. 200 bis 300 Kunden beliefert er im Monat mit drei Lastwagen. Die müssten zwar häufiger fahren. Doch nicht etwa, weil die Abnehmer mehr kauften, sondern im Gegenteil: „Je schlechter das Geschäft ist, desto öfter fährt man die Kunden an. Weil die kein Geld haben, sich Getränke auf Vorrat anzuschaffen und dafür häufiger, aber in kleineren Mengen ordern.“ So treibe die mangelnde Kaufkraft seiner Kundschaft die Logistikkosten in die Höhe. Jeroen Bosch hat mit seiner Firma Bierlinie dagegen eine Marktnische besetzt, die ihm auch in diesen Tagen ein einträgliches Geschäft beschert. Obwohl in der Weihnachts- und Silvesterzeit eher Wein- und Spirituosenkonsum anziehen, sind die Absatzzahlen des Moabiter Fachverkäufers für Bier stabil. Ausgerechnet Weihnachtsmärkte sorgen für hohe Dezemberumsätze. Denn dorthin liefert Bosch belgisches Glühbier, das mit Kirschen und Gewürzen gebraut und auf 65 Grad erhitzt wird. Zum Weihnachtsgeschäft sei auch das sogenannte X-Mas-Starkbier aus Schottland beliebt, besonders im Einzelhandel.

Für den auf Wein- und Spirituosen spezialisierten Weinladen Schmidt läuft es im Dezember besonders gut. Ein Viertel seines Jahresumsatzes macht der in Tiergarten angesiedelte Betrieb dieser Tage. Das liege unter anderem an der Berliner Stern- und Kreisschiffahrt, sagt Geschäftsführer Carsten Schmidt. Auf den Ausflugsschiffen werden Silvester rund fünf Paletten Wein ausgeschenkt.

Alfred Glaser vom Alno Bier und Brause Depot, der viele Eckkneipen beliefert, blickt nicht so hoffnungsvoll auf den Silvesterabend. „Dieses Jahr wird vermutlich weniger angestoßen, wenn die Leute ab Mitternacht nicht mehr rauchen dürfen“, sagt Glaser über das ab Januar geltende Rauchverbot in Berlin, das seine Stammkunden treffen werde. Außerdem haben Brauereien wegen steigender Getreide- und Energiekosten angekündigt, den Preis für einen Kasten Bier im neuen Jahr um bis zu einem Euro zu heben. Auch der 2007 boomende Markt für Ökogetränke kann das laut Glaser nicht ausgleichen. „Es trinkt ja keiner zehn Bionaden, zehn Bier pro Kopf aber schon.“

Jan Teuwsen

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