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HEIK AFHELDT trifft…: Galeristin Carol Thiele

Eigentlich wollte ich dort nur schnell einen Tee trinken. Die weißen Plastiksessel vor der Nummer 50 an der Friedrichstraße wirkten so einladend.

Eigentlich wollte ich dort nur schnell einen Tee trinken. Die weißen Plastiksessel vor der Nummer 50 an der Friedrichstraße wirkten so einladend. Erst dann sah ich die farbenfrohe Kunst an den Wänden, die Aufschrift „Galerie Meisterschueler“ und die schlanke, hochgewachsene Frau im schlichten weißen Leinenkleid, die auffallend freundlich nach meinen Wünschen fragte. Das war die Inhaberin Carol Thiele, die nach einem spannenden, wechselvollen Berufsleben vor zwei Jahren die Idee zu dieser besonderen Form einer modernen Galerie hatte. Die Zutaten, so erklärt es die gelernte Konditorin: junge, internationale Künstlerinnen und Künstler, nicht so hohe Preise, eine 1A-Lage, Bewirtung mit Getränken und manchmal selbst gebackenem Kuchen, dazu ein Atelier, in dem immer einer der ausstellenden Künstler einige Tage bei der Arbeit beobachtet werden kann. Das Rezept scheint aufzugehen. Mit um die zehntausend Euro Umsatz im Monat kann sie gut leben, sagt die unternehmungslustige Bäckerstochter, aber „ein Porsche steht dann noch nicht vor der Tür“.

Geboren ist Carol Thiele, die privat auch malt, in Zürich. Aber schon mit drei Jahren sind die Eltern nach Kreuzberg gezogen. Hier hat sie – als Berliner Göre – auch ihre Lehre gemacht und später ihre geliebte Dachwohnung in Charlottenburg als Basis für die beruflichen Ausflüge nach Hamburg, Köln und Wiesbaden genutzt. Den persönlichen Rat, mehr als eine Konditorinnenkarriere zu wagen, hat sie von Günter Pfitzmann. Deswegen hat sie in Hamburg tagsüber Werbekauffrau gelernt und nebenher noch an der Kommunikationsakademie studiert. Danach ging es als Kundenberaterin zu einer Werbeagentur nach Berlin. An interessante Jobs wie für die Berliner Flughafen Holding erinnert sie sich gerne. Dann kam ein interessantes Angebot von RTL aus Köln: Programmbezogene Werbung. Ein wundervoller Rollenwechsel – und „schöne, erfolgreiche und tolle“ vier Jahre. Dann hat sie gekündigt, ohne eine neue Stelle zu haben. Das immer heftigere Machtgerangel hatte sie satt.

Zurück nach Berlin, ihr Freund pendelte ihr noch eine Zeitlang nach. Nach sechs arbeits- und mittellosen Monaten folgten sechs Monate beim Privatradio. Dann vier Jahre Dienst in einer Wiesbadener ZDF-Agentur und als kleine Krönung schließlich ein Posten als Kommunikationsbeauftragte beim SFB. Aber dann war sie „nicht mehr durstig und auch nicht mehr gut“. Die Heilung: Eine längere, unvergessliche Auszeit mit Freund in Afrika. Die Folge: Selbstständig wollte sie ab jetzt sein. Das ist sie nun, glücklich und voller weiterer Pläne für die 280 Quadratmeter an der Friedrichstraße – und gelegentlich beim Rudern auf dem Wannsee. Wie es weiter geht? In Wien eröffnet ihre erste Franchising-Kundin demnächst eine Galerie. Und dann folgt vielleicht Zürich. Ihre Stadt bleibt trotzdem Berlin und ihr Zuhause die Terrassenwohnung in Zehlendorf.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegels

Carol Thiele (41)

wurde in Zürich geboren. Seit zwei Jahren leitet die gelernte Konditorin die Galerie Meisterschueler in der Friedrichstraße in Mitte. In ihrer Freizeit malt sie auch selbst.

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