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HEIK AFHELDT trifft…: Professorin P. Schuchert-Güler

Sie könnte gut auch über den roten Teppich bei der Berlinale gehen. Eine attraktive junge Frau mit dunklen Haaren und einem hellen Lachen, blitzgescheit.

Sie könnte gut auch über den roten Teppich bei der Berlinale gehen. Eine attraktive junge Frau mit dunklen Haaren und einem hellen Lachen, blitzgescheit. Geboren ist sie in dem kleinen Dorf Sorkun mitten in Anatolien. Ihr Vater, ursprünglich aus Albanien, war bis er als Gastarbeiter in ein Gartencenter nach Berlin kam, dort Feldarbeiter. 1973 hat er seine Frau und die beiden Töchter nach Berlin geholt. In eine Einzimmerwohnung im Tiefparterre in Wedding. Ihre Schulzeit begann in einer Nationalklasse mit 32 anderen türkischen Gastarbeiterkindern. Alle Fächer wurden in Türkisch gegeben, nur eine Lehrerin gab Deutsch. Schwimmunterricht und Klassenfahrten waren da nie ein Problem.

Nach dem Umzug der Familie nach Steglitz – nun in eine Zwei-Zimmerwohnung – war sie in ihrer neuen Schule plötzlich eine „klassische Minderheit“. Aber mit dem ausgeprägten Willen sich einzupassen und erfolgreich zu sein und mit sehr verständnisvollen Eltern – sie brauchte Nachhilfe in ihrer neuen „Muttersprache“ – packte sie dort das Abitur als erste türkischstämmige Schülerin. Dann kam das Studium: Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität. Nebenher, wie schon als Schülerin, Jobs: Briefe sortieren bei der Post, Obst verkaufen auf Märkten und dann studentische Hilfskraft und Praktika bei Unternehmen. Den Doktor solle sie machen, riet man ihr, um die Nachteile als Frau im Beruf zu kompensieren. Den machte sie mit dem Thema „Persönlicher Verkauf“ nun an der Freien Universität. Die für jeden Vertrieb so entscheidende Frage, welche psychologischen Prozesse dabei ablaufen, interessiert sie auch heute noch. Bei ihrem Aufenthalt 2004 an einer Uni in Florida hat sie festgestellt, dass die amerikanischen Ökonomen sich mit der „Einbettung des Faktors Mensch in die BWL“ schon länger und intensiv beschäftigen. Zu diesem Thema läuft auch ihre Habil-Arbeit, die mit dem Ruf an die Fachhochschule für Wirtschaft Berlin (FHW) vor drei Jahren etwas „gebremst“ worden ist. Aber das Ziel steht – und sie wird es zweifellos erreichen.

„Managing Diversitys“ ist an der FHW eines ihrer Forschungs- und Lehrgebiete. Ethnomarketing oder die „Wertekette der Ausbildung“ mit der Frage, wie die besonderen Schwierigkeiten etwa von Migranten auf dem Weg zum Abschluss und bei der anschließenden Stellensuche beseitigt werden können, sind konkrete Anwendungsfelder.

Wer ist dazu besser geeignet als diese kluge Frau, deren Mutter Kopftuch trägt, deren Mann katholisch ist und deren jetzt zwölfjähriger Sohn Daylan heißt. Das ist albanisch und bedeutet „der Heldenhafte“. Als heldenhaft würde sie ihren eigenen Weg zur Integration sicherlich nicht bezeichnen. Sie weiß: Ausländer haben nicht immer die besten Startbedingungen bei uns, aber statt sich als Opfer zu fühlen, sollten sie sich mit toleranter Offenheit in die fremde Umgebung einleben.

Heik Afheldt war Herausgeber des Tagesspiegel

Pakize Schuchert-Güler (41) ist Professorin für Produkt und Preispolitik an der Fachhochschule für Wirtschaft Berlin. Ihr Hobby: Kochen, um „kulturelle Differenzen zu überwinden“.

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