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Berliner Wirtschaft: „Wir wollen nicht nur in Berlin wachsen“

Gasag-Vorstand Prohl über Expansionspläne, Gaspreise und seine Angst vor zu viel Regulierung

Herr Prohl, Ihr Konkurrent Nuon schenkt Wechselwilligen Erdgas für drei Monate – die Gasag bald auch?

Wir haben nichts zu verschenken. Umsonst bekommt man ohnehin nichts. Die Verbraucher kennen solche Marketingaktionen aus der Telekommunikation mit Handys für null Euro. Sie haben gelernt, auf das Kleingedruckte zu achten. Es gibt ohnehin keinen preislichen Unterschied zum Internet-Tarif der Gasag. Die Zahl der Wechsler hält sich deshalb, wie wir hören, in Grenzen.

Ist E-wie-einfach, die Billigtochter Ihres Aktionärs Eon, erfolgreicher beim Kundenabjagen?

Aus dem Stadtbild ist E-wie-einfach zurzeit kaum wegzudenken. Nuon war aber sicher geschickter. Bei E-wie-einfach dürfte es für viele Verbraucher schwierig zu verstehen sein, worum es geht. Im Moment sehen wir deshalb noch nichts. Was uns aber nicht beruhigt. Die Kampagne von E-wie-einfach wird sicher Wirkung zeigen.

Sie könnten Ihr Gas einfach billiger machen.

Nach der Preissenkung zum 1. April sehe ich zurzeit keinen Spielraum für weitere Senkungen. Vor ein paar Wochen war das noch anders, weil der Ölpreis gesunken war. Mittlerweile ist Öl wieder teurer geworden. Aus heutiger Sicht bleiben die Gaspreise in diesem Jahr so, wie sie sind. Trotzdem können wir preislich im Vergleich mit unseren Konkurrenten gut bestehen.

Also ist für Sie alles in Ordnung?

Die Wettbewerber bleiben eine Dauerbedrohung. Deshalb werden wir unsere Vorteile als regionaler Versorger stärker betonen. Wir führen Energiesparwochen durch, wir beraten zum Thema Energieeffizienz, wir bieten eine persönliche Betreuung sechs Tage die Woche und Servicemitarbeiter vor Ort. Das machen Wettbewerber wie Nuon und E-wie-einfach als reine Vermarkter nicht. Außerdem wollen wir neue Techniken, die Erdgas nutzen, voranbringen.

Zum Beispiel?

Wir vermarkten Anlagen, mit denen die Verbraucher über Nacht ihr Erdgas-Auto betanken können. Vor kurzem haben wir außerdem in der neuseeländischen Residenz eine Mikro-KWK-Anlage – also eine Art Kleinstkraftwerk zur kombinierten Erzeugung von Strom und Wärme – installiert. Da sprechen wir jetzt mit dem Hersteller auch über eine größere Anzahl.

Aber das sind alles kleine Projekte, die Ihren Absatz nicht unbedingt in die Höhe treiben...

Viele Kleine bedeuten schon mehr. Immerhin gibt es in Berlin 150 000 Ein- und Zweifamilienhäuser, für die sich die Mini-KWKs lohnen würden. Auch in Mehrfamilienhäusern sind wir unterwegs. Und wir erwarten, dass in das Thema durch das geplante neue KWK- Gesetz, nach dem Anlagen mit einer Leistung von bis zu zehn Megawatt gefördert werden, Bewegung kommt.

So eine Anlage kostet viel Geld. Müssen sich Kunden dann auf viele Jahre an die Gasag binden?

Nein. Wir entwickeln Modelle, bei denen ein Wechsel zu einem anderen Versorger einfach geht. Wir wollen da Ängste nehmen und aus dem Wettbewerb ein positives Element für uns machen.

Die Konkurrenz ist seit Monaten auf ihrem Heimatmarkt unterwegs, wann werden Sie jenseits der Grenzen von Berlin und Brandenburg aktiv?

Wir wollen wachsen, nicht nur in Berlin. Ende des Jahres werden wir auch außerhalb unseres eigenen Netzes aktiv. Das gilt sowohl für Wohnungsgesellschaften, mit denen wir heute schon in Berlin zusammenarbeiten, als auch für Privatkunden.

Wieso lassen Sie sich so viel Zeit?

Erst ab 1. Oktober ist das Zwei-Vertragsmodell uneingeschränkt verbindlich, bei dem sich ein Versorger für die Durchleitung des Gases nur noch mit dem Betreiber des Netzes beim Einspeisepunkt und mit dem Betreiber des Verteilnetzes am Zielort über Gebühren einigen muss. Dafür müssen besondere Systeme zur Abrechnung installiert werden, damit alles automatisch ablaufen kann. Die sind häufig noch nicht vorhanden. Bisher muss noch viel händisch gemacht werden – das ist teuer, da lohnt sich das Geschäft nicht. In Berlin hat unsere Netztochter das neue System schon umgesetzt.

Sie schaffen für Wettbewerber in Berlin bessere Bedingungen als die, die Sie selber draußen haben? Kommen Sie sich da nicht blöd vor?

Nein, denn wir stehen hier im Fokus der Netzagentur. Auch in den Verbänden haben wir an prominenter Stelle die heutige Lösung mitverhandelt. Wir wollen beweisen, dass die Branche selber für Wettbewerb sorgen kann. Damit wollen wir verhindern, dass uns das Gasnetz weggenommen wird. Darüber wird ja viel diskutiert. Deshalb machen wir ernst bei der diskriminierungsfreien Öffnung unseres Netzes für Wettbewerber. Was kann der Gesetzgeber mehr verlangen?

Weshalb hängen Sie so an dem Netz?

Ohne Netz werden wir nicht das nötige Geld für Wachstumsmärkte bekommen. Heute gehen Nutzungsentgelte kontinuierlich, sicher und reguliert ein. Da ist es leicht, einen Kredit zu bekommen. Ohne Netz geht das nicht.

Sie verdienen also immer noch Geld mit dem Netz, obwohl die Bundesnetzagentur auch Ihre Gebühren gesenkt hat?

Ja. Wir haben allerdings Sorgen, wenn wir auf die Pläne der Bundesregierung zur Anreizregulierung sehen. Die nach dem geplanten Energiewirtschaftsgesetz geforderten Netzentgelte müssen erreichbar sein – und übertroffen werden können. Wir haben nicht das Gefühl, dass da genug Rücksicht genommen wird auf die sehr unterschiedlichen Situationen, in denen die Versorger sind. Wir leben mit 160 Jahren Gasag. Seit der Wiedervereinigung hat die Gasag 700 Millionen Euro in die Sanierung des Netzes vor allem im Osten Berlins gesteckt. In den 90er Jahren haben wir zuverlässig jedes Jahr 50 Millionen Euro Verlust gemacht. Wir mussten alles in der Bilanz aktivieren, was nur ging. Eine Netzgesellschaft im Westen, die alle Investitionen einfach als Aufwand verbuchen konnte, kann ganz anders kalkulieren als wir.

Und wenn Sie nun doch die Netzgebühren senken müssen?

Bei uns im Netz ist nicht mehr viel Einsparpotenzial. Würden wir zu niedrigeren Gebühren gezwungen, könnten wir die Kosten nur über Personalabbau senken. Dabei sind schon heute zehn Prozent der Belegschaft in aktiver Altersteilzeit und scheiden nach und nach aus.

Ansonsten müssen Sie bei der Gasag keine Stellen mehr streichen?

Der Stellenabbau im Konzern ist heute weitgehend abgeschlossen. Natürlich versuchen wir, noch effizienter zu werden. Aus heutiger Sicht bin ich aber zuversichtlich, dass wir es schaffen, die Beschäftigung durch unsere Expansion außerhalb Berlins zu sichern.

Expandieren kann man durch Übernahmen, Kooperationen oder durch den Aufbau eines eigenen Geschäfts. Was bevorzugen Sie?

Wir schließen per se keine Option aus. Wir wollen auch durch Akquisitionen wachsen – wie bei der Spreegas und den Stadtwerken Brandenburg. Man kann auch wachsen, indem man die Betriebsführung von Netzen übernimmt.

Wie wichtig könnte das Geschäft außerhalb Berlins werden?

Perspektivisch wollen wir einen erheblichen Anteil unseres Absatzes außerhalb Berlins realisieren.

Wann?

Einen bestimmten Zeitpunkt will ich noch nicht nennen. Das werden wir sehen.

Sie haben drei Energieunternehmen als Anteilseigner, Gaz de France, Vattenfall und Eon. Da böte sich doch eine Expansion in Zusammenarbeit mit einem der drei an.

Wir machen eine Geschäftspolitik, die gut ist für die Gasag. Parteilichkeit für eine der Seiten wäre nicht gut.

Würden Sie sich wünschen, dass es nur noch einen der drei gäbe?

Wir fühlen uns im Moment ganz wohl in der Situation. Kein Anteilseigner will sich verabschieden. Das wollen wir langfristig erhalten.

In Ihrem Geschäft gibt es aber eine große Unsicherheit: Gegen die Erhöhung im Jahr 2005 läuft immer noch ein Sammelklageverfahren, das teuer werden kann. Wann erwarten Sie die Entscheidung?

Wir sind zuversichtlich, dass es die in der zweiten Jahreshälfte gibt. Und wir gehen davon aus, dass sie zu unseren Gunsten ausfällt. Gerade gab es zwei Urteile, die in unsere Richtung gehen. Darüber wollen wir nicht jubeln, aber sie dürfen auch nicht im Sande verlaufen. Wir müssen aber auch sehen: Das ist eine Diskussion der Vergangenheit. Am 1. Oktober 2005 sah der Gasmarkt noch ganz anders aus als heute.

Das Interview führte Bernd Hops.

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