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Berlin: Berlins neue Richter-Skala

Bibbern und warten: Tausende beim Premierentag der „Panorama“-Schau in der Nationalgalerie.

Klaus Wilke, 60, hat den Hunderten, die hinter ihm stehen, etwas voraus: die Eintrittskarte in die Neue Nationalgalerie. Eine Stunde habe er vor der neuen Ausstellung „Panorama“ des Malers Gerhard Richter gewartet, erst 20 Minuten bei minus vier Grad in der Kälte, danach ging’s im Warmen weiter. „Hat sich gelohnt“, sagt Wilke und steuert die Bilder an. Endlich könne er Richters Werk mal in echt sehen.

Allein am Sonntag, dem ersten Ausstellungstag, kamen 3000 Besucher in den ersten drei Stunden, sagt ein Mitarbeiter. Etwa 1000 würden gleichzeitig zu den 130 Bildern und fünf Skulpturen hineingelassen. Mit etwa einer Stunde Wartezeit ist „Panorama“ fast schon etwas für Kurzentschlossene. Bei Frida Kahlo im Mai 2010 im Gropiusbau waren es zwei Stunden, bei „Gesichter der Renaissance“ im Bode-Museum im September sogar bis zu fünf Stunden. Den Rekord scheint weiterhin das New Yorker Museum of Modern Art zu halten. Bis zu sieben Stunden Wartezeit waren beim Gastspiel 2004 normal.

Am Sonntag schiebt sich die Schlange gemächlich durch die Drehtür ins Untergeschoss, wo sie sich vor den beiden Kassen in Kreisen aufreiht. Daneben wurde extra ein Mini-Shop aufgebaut. „Läuft super, die Kataloge sind der Renner“, sagt ein Mitarbeiter. Doch der Weg zum Katalog braucht Geduld. Die Wartenden stehen bis um die Ecke des gläsernen Gebäudes. Sie haben sich dick eingemummelt in Mütze und Schal, lesen Zeitung, wärmen sich an einem Pappbecher Kaffee, blättern in Reiseführern. Fredi Storch, 54, aus Nauen steht kurz vor der Tür ins Warme. Gefroren aber habe er nicht, es gab schon viel kältere Tage. Richter gehört zu Storchs Lieblingskünstlern. „Ich mag den Menschen für seine Bescheidenheit“, sagt Storch. Zum Beispiel, weil der Künstler es selbst absurd finde, wenn seine Werke für bis zu achtstellige Summen weggehen. Storch selbst würde maximal 1000 Euro für ein Kunstwerk zahlen. „Das müsste dann aber auch einen Wow-Effekt auslösen.“ Zu Hause bei Oliver und Mareike Hertel in Friedrichshagen hängen günstigere Werke des Pop- Art-Künstlers Jim Avignon. Ein Richter ist noch nicht dabei, auch kein Kunstdruck. „Vielleicht ändert sich das ja nach der Ausstellung“, sagen sie. Von der erwarten sie sich, „die letzten 40 Jahre der deutschen Geschichte zu sehen“. Robert und Andrea Zöbelein aus Nürnberg haben ihren Berlinbesuch auf die Ausstellung abgestimmt. „Beeindruckend, vor allem die Anordnung mit den Farbpaneelen“, sagen sie. Dass Künstler wie Richter derart hohe Preise erzielen, kann Robert Zöbelein verstehen. „Es gibt momentan eine Wertflucht in die Kunst, weil die Substanz hat“, sagt der Hobbymaler.

„Panorama“, Neue Nationalgalerie, Potsdamer Straße 50, Tiergarten. Katalog 29/39,95 €, Karten 8/4 €. Di–Fr 10–18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr, am Wochenende 11–18 Uhr. Infos und Tickets: www.smb.museum, Telefon 266 42 42 42, am Wochenende 266 42 30 40.

Noch mehr von Richter: Ausstellung „Editionen 1965–2011“, me Collectors Room, Auguststr. 68, Mitte.

15 Bilder von Zyklus „18. Oktober 1977", Alte Nationalgalerie, Museumsinsel. Alle Ausstellungen bis 13. Mai.

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