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Berlin: Berlins Zukunft: Mehr Kultur, weniger Bürokratie

Enquetekommission legt Empfehlungen für die Stadtentwicklung vor. Auch Medien und Wissenschaft sollten massiv unterstützt werden

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die wirtschaftliche Ertragskraft Berlins sei vergleichbar mit Bielefeld, sagte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK), Jan Eder. „Das spricht nicht gegen solche mittelständischen Regionen, aber es kann nicht unser Maßstab sein.“ Um ein Leitbild zu finden, das weltstädtischen Maßstäben gerecht wird, hatte das Abgeordnetenhaus Ende 2003 eine Expertenkommission eingesetzt. Ihr Name: „Eine Zukunft für Berlin.“ Gestern wurde der Schlussbericht vorgelegt. Darin raten die Fachleute dem Senat, sich trotz der Finanznotlage Berlins darauf zu konzentrieren, Wissenschaft und Forschung, Kultur und Medien nach Kräften zu unterstützen.

„Wir sind die Metropole mit den geringsten Lebenshaltungskosten, mit den jüngsten Bewohnern, und jeder fünfte deutsche Künstler lebt in Berlin“, sagte Musikmanager Tim Renner. Die Hoch- und die Subkultur müssten „auf Weltniveau gefördert“ werden. Auch Renner war Mitglied der Enquetekommission. IHK-Geschäftsführer Eder stellte andere Anliegen nach vorn: Den Abbau von Bürokratie und den schnellen Ausbau des Großflughafens Schönefeld. Dies seien „Topthemen im Standortwettbewerb“.

Thomas Suwelack von der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Unternehmer kritisierte, dass die Staatsquote in Berlin deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Die meisten Landesunternehmen seien defizitär. Der Senat müsse die öffentlichen Beteiligungen verringern. Und der Verwaltungsfachmann Hartmut Bäumer vermisst immer noch „ein neues Dienstleistungsdenken“ in den Behörden. Gegen die Modernisierung übten manche Mitarbeiter hinhaltenden Widerstand.

Nicht alles kann der Staat richten, damit Berlin zu Kräften kommt. Deshalb überlegte die Kommission, wie das bürgerschaftliche Engagement gefördert werden soll. Bis 1990 habe, aus unterschiedlichen Gründen, in beiden Teilen Berlins eine starke Versorgungsmentalität geherrscht, sagte Silvia von Steinsdorff, Sozialwissenschaftlerin an der Humboldt-Universität. Das ändere sich allmählich, aber noch sei die Zivilgesellschaft in der Stadt „schwach entwickelt und schlecht koordiniert“. Es sei wichtig, sie zu fördern, aber „hoheitsfrei“. Momentan kümmert sich noch die Senatskanzlei um das Thema.

Andere wichtige Felder, zum Beispiel die Schul- und Integrationspolitik, konnte die Kommission aus Zeitgründen nicht mehr beackern. Das Gremium war auf Betreiben der CDU eingerichtet worden, nachdem das Landesverfassungsgericht den Haushalt 2002/03 für verfassungswidrig erklärt hatte. Die Enquetekommission sollte die Frage klären, wie man in Zeiten der extremen Haushaltsnotlage einen verfassungsmäßigen Haushalt aufstellt. Aber dann wurde der Faden weitergesponnen: Welche Rolle muss Berlin als Hauptstadt ausfüllen, und was bringt die Stadt wieder nach vorn?

Eineinhalb Jahre später, nach 19 Sitzungen, legte die Ausschussvorsitzende Sibyll Klotz (Grüne) den Schlussbericht vor. 297 Änderungsanträge wurden eingearbeitet, der 113 Seiten starke Bericht ohne Gegenstimmen, aber mit vielen Enthaltungen beschlossen. Die abweichenden Meinungen, meistens von CDU und FDP, wurden schriftlich dokumentiert. Dennoch lobte Bäumer, dass die Kommission „ohne parteipolitische Blockbildung“ ausgekommen sei. Und trotz der Forderung, die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen, wolle niemand „Berlin kaputtsparen“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler Jürgen Kromphardt. „Wir waren uns einig: Die Wachstumspotenziale der Stadt müssen gestärkt werden.“

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