zum Hauptinhalt

Berlin: "Besser Strauß Essen": Exotisches im Aufschnitt

Wer weiß schon, was die Abkürzung BSE ausgeschrieben bedeutet? Bov.

Wer weiß schon, was die Abkürzung BSE ausgeschrieben bedeutet? Bov..., Bovo..., Bovi... - irgendwas mit Rind jedenfalls. Man sollte vielleicht gleich mit der Erklärung von Murat Okutan vorlieb nehmen, wonach BSE schlicht "Besser Strauß Essen" bedeutet. Dass die BSE-Krise die Verbraucher auf der Suche nach Alternativen zum Rindfleisch bis in die entlegensten kulinarischen Regionen treibt, hat sich für Okutan und seine Lebensgefährtin Michaela Messerschmidt als günstige Fügung erwiesen. Denn in ihrem "Outback-Shop" in der Friedenauer Cranachstraße Nummer 55 verkaufen sie außer Straußen- auch noch Känguru- und Krokodilfleisch. Und das in eigentlich ganz vertrauten Schlachterprodukten: In einer Vitrine liegen Knacker neben Schinken und Aufschnitt.

Die Spezialitäten aus den Exoten stellt im Auftrag von Messerschmidt und Okutan der Wilmersdorfer Fleischermeister Dietmar Nispel her, der sich an die Verarbeitung des kniffeligen, weil fettarmen Fleisches herangetraut hat. Deshalb gibt es auch keinen Känguru-Speck. Das das Fleisch der Beuteltiere nur einen Fettgehalt von einem Prozent. "Die springen einfach zu viel herum, um Fett anzusetzen", sagt Messerschmidt. Der Gesundheit des Konsumenten soll das jedoch zuträglich sein.

Das Fleisch beziehen die Betreiber über einen deutschen Großhändler, der, ungeachtet deutscher Bemühungen, Strauße auch hierzulande heimisch zu machen, seine Quellen ausschließlich in Australien oder Afrika hat. Dort werden die Strauße und Krokodile in Farmen herangezogen; Kängurus dagegen sind in Australien frei lebend, werden als Landplage in der Wildnis geschossen und tiefgefroren nach Deutschland verschifft. Messerschmidt und Okutan handeln nicht von ungefähr mit Waren aus "Down-Under". Seit 1995 betreiben die beiden ein australisches Restaurant, das seinerzeit unter dem Namen "Outback" das erste dieser Art in der Stadt war und nach Angaben von Okutan als erste Berliner Kneipe Kängurufleisch servierte.

Seitdem die Geschäftsleute im vergangenen Jahr von einer in Florida angesiedelten Steakhauskette mit einer Namens-Klage konfrontiert wurden, schwenkten sie um und nennen ihre Gaststätte seither "Never-Never-Land" - nach dem einsamsten Teil des australischen Hinterlandes, das zumindest namensrechtlich jetzt an die Amerikaner gefallen ist. Dennoch hat sich ihr Lokal als Anziehungspunkt für an der Spree gestrandete Australier und Neuseeländer etabliert. Tatsächlich soll dort sogar die australische Botschaft ihre Weihnachtsfeier abgehalten haben.

Eigentlich hatten Frau Messerschmidt und Okutan auch ohne das BSE-Problem schon lange vor, ihrem Lokal auch ein Geschäft mit australischen Produkten anzufügen. Zum einen war, seitdem ihr gemeinsamer Sohn in den Kindergarten geht, tagsüber wieder mehr Zeit vorhanden. Zum anderen hatten sie schon immer für Stammgäste Wünsche nach dieser oder jener Spezialität vom anderen Ende der Welt erfüllt. Als dann im November im gleichen Haus noch ein Laden frei wurde, schlugen sie zu und eröffneten im Monat drauf ihr Geschäft.

Okutan, der eigentlich aus der Baubranche kommt, sorgte selbst für die an australische Muster erinnernde Bodenfliesen. Und Frau Messerschmidt, die früher Mode machte, hängt einige ihrer von Aboriginee-Kunst beeinflussten Bilder aus, von denen sie gelegentlich auch eines verkauft.

Auf etwa 30 Quadratmetern gibt es nun vieles von dem, was ein Australier im Exil vermissen mag oder Australienfreunde im Supermarkt kaum finden würden: Bier und Wein sind da noch das Geläufigste, die kulinarische Bandbreite reicht von Marmeladen und Honig bis hin zu tasmanischem Bergpfeffer und anderen exotischen Gewürzen, die Okutan auf Wunsch eines Gastes besorgt hat und demnächst in größerem Umfang selbst importieren und konfektionieren will.

Daneben finden sich auch die landestypischen Mäntel aus geölter Baumwolle, Hasenfell-Hüte und "Blundstone"-Stiefel. Außerdem ist die australische Fauna - bis hin zu Spinnen - als Kuscheltier erhältlich. "Die Stofftiere laufen wirklich gut", sagt Okutan. Der Renner ist das Schnabeltier. Die beiden Betreiber bemühen sich, jeden ausgefallenen Wunsch nach Produkten aus Down-Under zu erfüllen. Einiges, wie etwa Didgeridoo-Instrumente, beziehen sie direkt über Freunde in Australien.

Auf alle Fälle soll der Laden auch nicht bloß eine Art Souvenir-Shop für das Lokal sein, sondern als eigenständiges Geschäft ausgebaut werden. Die beiden hoffen, als Zwischenhändler in etwas größerem Maßstab auf dem Berliner Markt einsteigen zu können. Tatsächlich lagert in einem eigens gemieteten Tiefkühllager auch schon tonnenweise Kängurufleisch, das entweder als solches oder aber zu Wurstwaren verarbeitet auf den hiesigen Markt geworfen werden soll.

Die Chancen stehen nicht schlecht. Immer mehr Normalbürger trauen sich in das kleine Kiezgeschäft und probieren die exotischen Spezialitäten. Neuestes Projekt könnte ein Straußendöner sein, an den Okutan derzeit denkt.

Aleander Pajevic

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false