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Man darf übrigens nicht unbegrenzt sammeln. Erlaubt sind zwei Kilogramm pro Person.

© Julian Stratenschulte/dpa

Schwammerl-Schwemme: Beste Bedingungen für Pilze in Berlin und Brandenburg

Warme Temperaturen und anhaltender Regen lassen die Pilze in der Region ordentlich sprießen. Ehrenamtliche Berater stoßen an ihre Kapazitätsgrenzen.

Damit hatte kaum einer mehr gerechnet: In Brandenburgs und Berlins Wäldern und Parks schießen seit einigen Wochen die Pilze aus den noch vor kurzem staubtrockenen Böden. „Der anhaltende Regen und die warmen Temperaturen haben dieses kleine Wunder vollbracht“, sagt Derk Ehlert, der in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung zuständig ist: „Dabei nehmen wir Menschen nur einen kleinen Teil der Pilze wahr, die sich derzeit tatsächlich explosionsartig verbreiten.“

Während in sozialen Medien gerade ein Fotowettbewerb um die schönsten, wenn auch giftigen Fliegenpilze entbrannt ist, richtet sich die Aufmerksamkeit der meisten Menschen auf die essbaren Exemplare wie etwa Stein- und Parasolpilze, Pfifferlinge und Maronen.

„Zur Zeit sind unglaublich viele Leute in den Wäldern unterwegs“, sagt ein Pilzberater aus dem Berliner Umland. Seinen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, weil sein Telefon ohnehin ununterbrochen klingelt. „So schön es ist, dass die Menschen in die Natur pilgern, so hat das Ganze auch eine Kehrseite: Viele sind nämlich unsicher, ob sie ein genießbares oder ein giftiges Exemplar vor sich haben“, sagt er: „Deshalb empfehle ich, sich vorher bei einer Lehrwanderung oder einem Kurs anzumelden.“

Er selbst biete an diesem Sonntag eine Lehrwanderung an, und sei gerade auf der Suche nach einem Grünen Knollenblätterpilz, sagt er. Den müsse er den Teilnehmern unbedingt zeigen, weil er so giftig ist und häufig mit dem essbaren Wiesenchampignon oder dem in Maßen genießbaren Grasgrünen Täubling verwechselt wird.

Pilzberater berichten von Vergiftungs-Anstieg

„Wer sich da nicht absolut sicher ist, sollte im Zweifel auf den Verzehr verzichten", sagt der Berater. Pilzexpertin Sylvia Hutter aus Caputh empfiehlt unsicheren Sammlern die alte Regel, am besten gar keine Exemplare mit Lamellen zu nehmen. „Dann ist man zumindest vor einer tödlichen Vergiftung sicher“, sagt sie. Im Gegensatz zum Vorjahr sind ihre Kurse seit Wochen ausgebucht.

Obwohl sich viele Menschen informierten, berichten Pilzberater von einem Anstieg vermeintlicher oder tatsächlicher Vergiftungen. „Ich habe manchmal zwei Dutzend Anrufe am Tag, bei denen Menschen um Rat fragen“, sagt ein Berater aus dem Landkreis Barnim: „Gestern war eine mehrköpfige Familie betroffen, zum Glück war es nur eine leichte Vergiftung.“

Finger weg. Der Knollenblätterpilz gehört zu den giftigsten Pilzen.

© B. Wüstneck/dpa

Bei einer Pilzschwemme wie in diesem Jahr reichten die ehrenamtlich arbeitenden Berater in Berlin und Brandenburg, die man über die Internet-Seiten des Naturschutzbundes (Nabu) findet, nicht aus, sagt er. Daran ändere auch nichts, dass für die schlimmeren Fälle aus beiden Ländern der rund um die Uhr besetzte Giftnotruf der Berliner Charité (Tel. 030 192 40) zuständig sei und weitere Beratungsstellen, etwa im Botanischen Garten, angeboten würden. Noch immer gebe es in Süddeutschland ein viel dichteres Netz von Beratern. Nicht alle gesundheitlichen Probleme resultierten übrigens daraus, dass man einen „falschen Pilz“ erwischt habe, sagen Experten. Oft ließen Sammler die Pilze zu lange liegen.

Offenbar können manche einfach nicht genug kriegen, obwohl man in Deutschland eigentlich nur etwa zwei Kilo zum Eigenverbrauch sammeln darf. Dafür halten sich getrocknete Pilze, die zudem in luftdicht verschlossenen Gläsern und dunklen Schränken gelagert werden, nahezu unbegrenzt. Und im Gegensatz zu den immer noch vom Reaktorunglück in Tschernobyl belasteten Maronen in Süddeutschland seien jene in Berlin und Brandenburg durchaus empfehlenswert.

Wer Lust bekommt, kann sich also einfach in den nächstgelegenen Wald aufmachen, sagt Pilz-Expertin Sylvia Hutter: „Pilze gibt es derzeit eigentlich überall, da muss man keine speziellen Empfehlungen geben.“ Verboten ist die Suche in Naturschutzgebieten, an Naturdenkmälern und in Naturparks außerhalb von speziell gekennzeichneten Flächen.

Um die Suche naturgerecht zu gestalten, sei es gut, die Pilze sauber abzuschneiden oder herauszudrehen, ohne die Wurzeln zu beschädigen. Auch ein Handyfoto eines schönen Fliegenpilzes könne man machen, ohne ihn zu zerstören. Überhaupt sollte man auch die ungenießbaren Pilze stehen lassen: „Es gibt unzählige Organismen bis hin zu manchen Bäumen, die von und mit Pilzen leben“, sagt Derk Ehlert: „Keiner von ihnen ist ohne Sinn und Aufgabe auf dieser Welt.“

Sandra Daßler

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