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Auf der Galerie des BVV-Saals harren Demonstranten aus.

© Björn Kietzmann

Tumulte im Bezirksparlament: BVV in Kreuzberg bald unter Polizeischutz

Nach Pöbeleien von Flüchtlingsaktivisten auf der letzten Bezirksverordnetenversammlung fordert der SPD-Fraktionschef Andy Hehmke Konsequenzen. Dem Vernehmen nach soll die nächste Sitzung mit Polizeipräsenz stattfinden. Das fordert auch die Grünen-Landeschefin Bettina Jarasch.

Von Sabine Beikler

Typisch Kreuzberg? Nach Pöbeleien von Flüchtlingsaktivisten beendete die Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung, Kristine Jaath (Grüne), am Mittwochabend wie berichtet die Sitzung. Nun heißt es dem Vernehmen nach, bei der nächsten BVV-Sitzung solle von Anfang an Polizeipräsenz gezeigt werden. Das fordern nicht nur Bezirksverordnete, sondern auch andere Grünen-Politiker. „Die nächste Sitzung muss unter Polizeieinsatz geführt werden“, sagt die Grünen-Landesvorsitzende Bettina Jarasch. Auch Jaath schloss künftige Polizeieinsätze nicht aus.

Jaath versuchte am Mittwochabend, den Pöbler, der aus dem Unterstützerkreis der Flüchtlinge kommt, mehrfach des Saals zu verweisen. Dieser weigerte sich aber zu gehen. Nachdem die BVV-Vorsteherin, die das Hausrecht hat, den Ältestenrat einberufen hatte, entschied sie sich, die Sitzung zu beenden. „Hätte ich die Polizei gerufen, wäre die Situation eskaliert. Und ich hatte Angst um die Sicherheit der beiden Wachleute“, sagt Jaath.

"Jetzt ist Schluss mit lustig"

Es war nicht das erste Mal, dass die BVV vor Störern kapitulierte. Im vergangenen November gab es Tumulte, dann wurde eine Sitzung wegen Sicherheitsbedenken verschoben. Eine weitere fand unter Polizeischutz statt. „Wir haben die Nase voll. Jetzt ist Schluss mit lustig“, sagt SPD-Fraktionschef Andy Hehmke. „Es kann doch nicht sein, dass Parlamentarier gehen und andere bleiben. Wir können unsere politischen Aufgaben nicht ausüben.“ Hehmke will über Konsequenzen sprechen.

Der BVV-Vorsteher im schwarz-grün regierten Steglitz-Zehlendorf sagt, für ihn wären Ereignisse wie in Friedrichshain-Kreuzberg undenkbar. „Ich habe das Hausrecht. Wenn jemand stört und nach mehrfacher Aufforderung nicht geht, bitte ich die Polizei um Amtshilfe“, sagt René Rögner-Francke (CDU). Gegebenenfalls würde er Strafanzeige stellen. „Eine Volksvertretung muss ohne Druck von außen arbeiten können.“ Sein Wille sei, die Würde des Hauses zu wahren.

„Wo sind wir gelandet, wenn Parlamente gestürmt werden können“, sagt der Friedrichshain-Kreuzberger CDU-Kreischef Kurt Wansner. Der Bezirk müsse sich überlegen, ob er sich „von der Diktatur der Grünen“ lösen wolle. Grünen-Landeschef Daniel Wesener sagt, die Kreuzberger BVV pflege eine „offenere Kultur“ für die Gäste in den Sitzungen. „Wenn Pöbler diese Kultur missbrauchen, muss sich das Haus überlegen, wie damit umzugehen ist.“ Wesener war von 2006 bis 2011 Mitglied der BVV Friedrichshain-Kreuzberg.

"Freiheit des Wegbiers"

Er muss sich als Landesvorsitzender im Moment außerdem mit einem Antrag für den Parteitag im Oktober auseinandersetzen, der ebenfalls eine Kreuzberger Handschrift trägt. „Freiheit des Wegbiers“ lautet die Überschrift des von Werner Graf mitverfassten Papiers. Graf ist Mitglied im geschäftsführenden Ausschuss der Kreuzberger Grünen. Er fordert, dass Alkohol in Bussen und Bahnen „in Maßen“ erlaubt wird. Das Wegbier sei in Berlin eine „Institution“, diese Tradition müsse erhalten bleiben.

BVG-Sprecherin Petra Reetz staunt darüber. „Das Mitbringen von offenen Speisen und Getränken ist laut Hausordnung nicht erlaubt.“ Transportiert werden dürfen Bierflaschen in Bus und Bahn durchaus – aber nicht geöffnet. Wesener selbst nimmt den Antrag „nicht bierernst“. Es handele sich wohl um eine „ironische Kommentierung der grünen Freiheitsdebatte“. Andere Grüne reagierten verärgert. Man habe „wirklich Wichtigeres“ zu diskutieren. Das sei mal wieder „typisch Kreuzberg“.

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