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Die Schönheit am Himmel

© dpa

"Haben Sie das auch gehört?": Das Geheimnis der Kraniche über Berlin

Sie sind nicht zu übersehen - und schon gar nicht zu überhören. Aber wo kommen sie her? Und wo wollen sie hin? Ein Fachmann klärt auf.

„Haben Sie’s auch gehört“, fragte mich die Nachbarin, die früher aufsteht, am vergangenen Freitag. Ja, ich hatte: Die Kraniche und die Graugänse, die im Nordosten Berlins am Himmel entlang zogen, waren nicht zu überhören. Wir alle hatten uns nach ihnen gesehnt, denn wenn sie sich zeigen, geht der Winter zu Ende – das hatten wir gleich nach unserer Rückkehr nach Berlin vor 27 Jahren gelernt.

Wen fragt man, wenn man‘s genau wissen will? Klar: Derk Ehlert, den Natur- und Umweltbeauftragten des Senats, den Leserinnen und Lesern des Reinickendorf-Newsletters vom Tagesspiegel gut bekannt: Zuletzt hatte er uns über die Hintergründe der Entschlammung des Hermsdorfer Sees schlau gemacht. Der 1967 geborene Landschaftsplaner kümmert sich als Wildtierreferent um alles, was außerhalb der Käfige und Aquarien in freier Natur fliegt, schwimmt, krabbelt und läuft.

Wir Bewohnerinnen und Bewohner des Berliner Nordostens sind die ersten Großstädter, die es mitbekommen, wenn die Kraniche zurückkehren. Ihre heiseren Schreie und das sirrende Geräusch des Flügelschlagens begleiteten im Februar die aufgehende Sonne. - Hier finden Sie die große Tagesspiegel-Fotostrecke zu Vögeln in Berlin.

Erinnern Sie sich an den vergangenen Oktober? Für Menschen, die auf die Natur achten, gibt es ein untrügliches Zeichen für das Ende der warmen Jahreszeit und den nahenden Winter: In großen Schwärmen ziehen die Kraniche und Graugänse über den Stadtrand, sammeln sich zu zehntausenden, zum Beispiel im Kremmener Luch zu einer letzten Stärkung und verschwinden gen Süden.

[Den kompletten Reinickendorf-Newsletter vom Tagesspiegel, immer von Gerd Appenzeller geschrieben, gibt es hier: leute.tagesspiegel.de]

Berliner Wildtierreferent Derk Ehlert

© privat

Jetzt jedoch ist das Umgekehrte geschehen. Derk Ehlert, der Naturschutzbeauftragte des Senats, gab mir diesen Ratschlag für die Leserinnen und Leser des Reinickendorf-Newsletters: Leute, geht raus, geht an den Tegeler See, ans Fließ in der Nähe des Hermsdorfer Sees, nach Lübars und nach Heiligensee und bis in die Umgebung von Hennigsdorf, seid leise und freut euch an der Natur. Denn tatsächlich: Wenn die Kraniche kommen und die Graugänse, naht der Frühling.

[Derk Ehlert weiß einfach alles - und kennt gefühlt jeden Biber dieser Stadt. Hier erzählt er die Geschichte]

Wo kommen die großen Vögel her, wo wollen sie hin? Derk Ehlert erklärt: Jetzt, wo es wärmer wird, ziehen all jene Kraniche und Graugänse, die nicht bei uns bleiben wollen, in ihre Brutquartiere in Mecklenburg-Vorpommern und Polen weiter. Einige Brutpaare sind ganz schön clever: Die verschwinden gar nicht erst bis in den Süden, sondern haben in Brandenburg und Niedersachsen überwintert. In Berlin gibt es bei den Kranichen inzwischen 15 Brutpaare, und die Graugänse verteilen sich auf etwa 120 Brutreviere.

Woran orientieren die sich? Der Wildtierfachmann erklärt's.

© dpa

Die meisten allerdings sind bis nach Südfrankreich geflogen oder in die spanische Extremadura. Die kommen erst Mitte März zurück. Dabei richten sie sich weniger nach den Temperaturen als nach dem Sonnenstand. Also taugt ihr Erscheinen als Garantie für schnell steigende Temperaturen nur bedingt. Die großen Zugvögel wie die tausenden von Bläss- und Saatgänsen, die als nächste über unsere Köpfe fliegen werden, haben den Winter an der deutsch-holländischen Grenze verbracht. Auch sie können wir am Morgen gut hören, weil sie nicht sehr hoch fliegen. Sie reisen fast 4000 Kilometer bis in die sibirische Tundra.

Die Gänse haben einen sehr einfachen Anhaltspunkt für ihr Flugverhalten und ihr Wandertempo: Sie fliegen so lange Richtung Osten, wie die Wiesen grün sind. Wenn die weiße Decke über der Landschaft signalisiert, dass es kein Futter mehr gibt, dass noch Schnee liegt und die Seen und Flüsse vereist sind, rasten sie, bis der Schnee verschwunden ist.

Derk Ehlerts Tipp also: Nahe den Seen, der Havel und dem Fließ im Norden Berlins wandern. Um Lübars herum gibt es einen wunderschönen Rundweg. Und nicht vergessen: Der Wind kann immer noch kalt sein, warme Jacken anziehen, und am besten Gummistiefel oder Schuhe, die ein bisschen Dreck vertragen.

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