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Das Stadion im Jahn-Sportpark lag früher direkt an der Mauer, heute liegt es an der Schnittstelle zwischen Prenzlauer Berg und Wedding.

© imago images/Contrast

Exklusiv

Regula Lüscher über den Jahn-Sportpark: „Das ist ein symbolhafter Ort – den kann man nicht schnell mal umpflügen“

Senatsbaudirektorin Lüscher koordiniert die Planungen zum Umbau des Berliner Sportparks. Sie will, dass er seine Identität behält. Die Sanierung des alten Stadions wird nun geprüft.

Von Christian Hönicke

Die Diskussion um die Zukunft des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks in Berlin biegt in die Zielgerade ein. Die Anlage am einstigen Mauerstreifen in Prenzlauer Berg soll für knapp 200 Millionen Euro zum "Inklusionssportpark" umgebaut und das Große Stadion von 1951 durch einen Neubau ersetzt werden. Gegen diese Pläne der Senatssportverwaltung gibt es Widerstand aus der Anwohnerschaft – und von Stadtplanern.

Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher soll die Umgestaltung koordinieren. Sie setzt sich für einen behutsamen Umgang mit dem aus ihrer Sicht "symbolhaften" Ort in Berlin ein. Auf ihre Initiative hin soll nun die Erhaltung des Stadions genauso wie die Neubau-Option vertieft geprüft werden. Zudem sollen Landschaftsplaner die Besonderheiten des ganzen Geländes unter die Lupe nehmen, um die "Identität" des Jahn-Sportparks auch bei einem Umbau zu erhalten.

Frau Lüscher, was ist der Jahn-Sportpark aus Ihrer Sicht? Nur eine Sportfläche?
Der Jahn-Sportpark ist sicher mehr als das. Er ist einer der symbolhaften Orte Berlins, wie wir sie in der Stadt durch die Geschichte und Teilung der Stadt an vielen Stellen haben. Deswegen sprechen wir hier nicht nur über ein sportpolitisches Thema, sondern über ein stadtentwicklungspolitisches.

Was heißt das für den anvisierten Umbau zum „Inklusionssportpark“?
Der Umbau ist eine städtebauliche Aufgabe. Diesen bedeutsamen Ort kann man nicht einfach schnell, schnell mal umpflügen – er braucht einen qualitativen Ansatz. Deswegen ist dafür ein Bebauungsplan wichtig.

Der Bund Deutscher Architekten sieht im Jahn-Sportpark "eine Deutschland-, wenn nicht weltweit einmalige Sport- und Freizeitlandschaft". Die müsse „behutsam saniert und nicht brachial umgestaltet werden“.
Es geht natürlich um die Frage der städtebaulichen und architektonischen Identität dieses Orts. Welche Elemente wirklich identitätsstiftend sind, muss man mit den Bürgerinnen und Bürgern besprechen. Am besten anhand von Entwürfen. Aber Identität heißt hier nicht nur Architektur.

Wie meinen Sie das?
Es geht auch um die Frage, was der Jahn-Sportpark als Ort für sein direktes Umfeld bedeutet. Wie viel reiner Verbands- und Spitzensport findet dort künftig statt? Und wo gibt es noch Flächen, auf denen die Bürgerinnen und Bürger unkompliziert Sport treiben können? Das hat sich als eines der wichtigsten Themen herauskristallisiert.

Grüne und Linke fordern bei der Planung der Umgestaltung mehr Engagement von Ihnen. Immerhin ist Ihre Stadtentwicklungsverwaltung von der Sportverwaltung mit der Umsetzung beauftragt worden.
Wir sind einerseits diejenigen, die dort das Stadion bauen sollen, als Baudienststelle. Aber wir sind eben auch die Stadtentwicklungsverwaltung. Und als solche müssen wir das Projekt in den städtischen Kontext einbetten.

[Dieser Text stammt aus dem Pankow-Newsletter vom Tagesspiegel. Den kompletten Pankow-Newsletter gibt es kostenlos unter leute.tagesspiegel.de]

Es geht um Fragen wie Verkehr, Lärmemission, Bedeutung des Sportparks für die angrenzenden Quartiere. Da gibt es Interessenskonflikte, die man diskutieren muss – auch öffentlich. Um zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen.

Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Stadionfrage. Befürworter eines Neubaus argumentieren, die jetzige Arena sei marode und stehe der Idee des „Inklusionssportparks“ im Weg. Andere halten das Große Stadion für eine städtebauliche Landmarke.
Der Inklusionssportpark ist ein wichtiges Ziel, das muss man inhaltlich nicht in Abrede stellen. Die Bedarfe sind da. Und mit einem Bestandsgebäude lässt sich eben nicht alles machen, siehe etwa die Staatsoper. Natürlich hat dieses Stadion Grenzen in dem, was es leisten kann.

Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher.
Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher.

© Stephanie Pilick/dpa

Also muss es weg?
Die Entscheidung für oder gegen ein Stadion ist noch offen. Die Frage ist komplex, die löst man nicht einfach mit links. Es ist ja auch nicht einfach, ein neues Stadion dort zu bauen – das ist eine große Herausforderung. Zum Beispiel muss geklärt werden, wie wir in dem Fall mit dem Wall und der Hinterlandmauer umgehen. Die Entscheidung, ob Umbau oder Neubau, muss detailliert beleuchtet werden. Und zwar nicht vor dem städtebaulichen Workshopverfahren, sondern im Verfahren selbst.

Wie soll das genau funktionieren?
Mein Vorschlag ist: Wir beauftragen drei Teams. Zwei Teams bestehen aus Architekten, Tragwerksplanern, Stadtplanern und Landschaftsplanern. Das dritte Team besteht aus Stadtplanern, Landschaftsplanern und Verkehrsplanern. Team eins beschäftigt sich mit dem Umbau des Stadions und den Auswirkungen auf das Gesamtareal, Team zwei mit dem Neubau am Ort des heutigen Stadions und dem Gesamtareal. Team drei beschäftigt sich ebenfalls mit dem Neubau, aber auf einem anderen Standort als heute. Die Verkehrsplaner aus dem dritten Team stehen den beiden anderen Teams außerdem beratend zur Seite.

Und dann?
Diese Pläne sollten in drei Workshops mit den Bürgerinnen und Bürgern besprochen werden. Mit dem Ziel, im dritten Quartal 2021 eine Entscheidung zu haben, unter welcher Maßgabe der Projektwettbewerb für das Stadion gestartet wird: also Umbau oder Neubau, am alten oder an einem neuen Standort. Am Schluss kann es sein, dass man sagt: Wenn man die Inklusion richtig umsetzen will, geht das mit dem Bestandsstadion nicht. Dann hat man es geprüft, und dann haben es alle verstanden. Aber für mich ist das noch nicht entschieden.

Vieles wird dabei Auslegungssache sein. Müssen im Zweifel die Bedarfe an den Ort angepasst werden – oder muss der Ort an die Bedarfe angepasst werden?
Stand heute stehen eher die sportlichen Bedarfe im Fokus. Ob das im dritten Quartal 2021 noch so ist, werden wir sehen. Aus meiner Erfahrung dienen solche Prozesse zur Erkenntnisgewinnung auf allen Seiten.

Das Landesdenkmalamt bescheinigt dem Großen Stadion, es sei insbesondere wegen der weithin sichtbaren Lichtmasten eine Landmarke und „stadtgeschichtlich besonders“. Selbst auf dem Titel des Lastenhefts für den Stadion-Neubau zeigt die Sportverwaltung ein ganzseitiges Foto dieses alten Stadions in der Abendsonne.
Das Stadion hat Symbolcharakter. Wenn es abgerissen werden muss, dann muss ein neues Meisterwerk an dieser Stelle entstehen. Die Lichtmasten sind dabei ein wichtiges Element. Architekten sollten darüber nachdenken, ob es nicht etwa möglich wäre, die auch bei einem Neubau wieder zu verwenden. Architekten sind erfinderisch, die arbeiten ständig an diesen Fragen Erinnerung und Identität.

Frau Lüscher, wie sähe Ihre Idealvorstellung des künftigen Jahn-Sportparks aus?
Das ist eine schwierige Frage. Ich gehe selbst offen in diesen Prozess und lasse mich überraschen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass man eine Symbiose der Idee des neuen Inklusionssportparks mit dem bestehenden Ort schafft. So dass er an gewissen Stellen neugestaltet wird, an anderen Stellen aber seine jetzige Identität behalten kann. Eine Transformation, keine völlige Umwälzung, und dass Geschichte und Zukunft sich finden an diesem Ort – das wäre meine Wunschvorstellung. Wie man das hinbekommt, das müssen die Planungsteams beantworten.

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