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Hoch, höher, am höchsten. Der Müllturm zu Lankwitz. Es gibt ihn überall.

© Anett Kirchner

Die Mülltürme von Zehlendorf: Wir Wegwerfkünstler

Ist das nicht großartige Kunst, beste Müll-Performance im freien Raum der Öffentlichkeit? Unser Autor schreibt hier eine Liebeserklärung für alle diejenigen, die sich trauen, ihren Müll öffentlich zu türmen und ihn einfach dort zu lassen, wo sowieso schon alles voll ist. Oder stinkt ihm das?

Ich weiß nicht warum, aber das stinkt mir! Ich weiß natürlich schon, ich soll mich mal nicht so haben und keine Verwesung machen. Und ja, richtig, es gibt doch viel zu wenige öffentliche Mülltonnen. Aber, sorry liebes Publikum, mich regt das trotzdem auf. Letztens ging ich durch eine geschützte Grünanlage in Steglitz-Zehlendorf, und ich sah, was ich an ziemlich vielen Stellen und Orten hier sehen kann: kunstvoll aufgetürmter Müll!

Vielleicht war das in Lankwitz aber auch nur eine unerlaubte Facebookparty. Nun, muss eine traurige gewesen sein. Werde jetzt meinen Nachbarn fragen, ob er mit mir eine Bürgerinitiative gründet, dann werden wir den Park künftig selber sauber machen. Da freuen wir uns aber, gell!

Nee, klar, ist doch logisch, wenn ich sehe, dass da ein Mülleimer schon fast voll ist, versuche ich natürlich meinen Müll auch noch dort unterzubringen, frei nach dem Motto: Müll zu Müll gesellt sich gern. Und weil das eigentlich ziemlich dämlich ist, mache ich daraus natürlich entartete Kunst, auf jeden Fall ein Kunstwerk, ich türme auch so genau, dass nichts runterfällt (bis zum nächsten Windstoß zumindest), und ich baue den Müll so wahnsinnig geschickt, dass das bestimmt alle Leute, die daran vorbeikommen, bewundernd registrieren.

Damit, mit dieser Müllperformance, animiere ich noch andere Menschen, sich künstlerisch zu betätigen und dort, wo jetzt wirklich nichts mehr geht, noch mehr Müll aufzutürmen.

Als vor einigen Jahren in der Clayallee Saturn eröffnete, und merkwürdigerweise offensichtlich Menschen aus entferntesten Bezirken zur Eröffnung kamen, hat es eine Familie tatsächlich fertig gebracht, ihren riesigen, im Sonderangebot erstandenen Flachbildschirm, auf der Straße auszupacken, ins Auto zu hieven und das Karton-Ungetüm direkt an der Ecke zur Scharfstraße neben der Telefonzelle zu entsorgen. Wahrscheinlich dachten die, das sei ein Tannenbaum und der werde bald abgeholt.

Hier passt noch was rein. Oder rauf. Auf jeden Fall daneben.
Hier passt noch was rein. Oder rauf. Auf jeden Fall daneben.

© Anett Kirchner

Ja, es hakt offensichtlich doch immer wieder bei einigen Mitmenschen aus. Deshalb habe ich natürlich totales Verständnis, wenn die wenigen öffentlichen Mülltonnen nicht nur doppelt bepackt werden, sondern, damit es irgendwie noch besser aussieht, auch noch schön viel Müll drum herum drappiert wird.

Irgendein Doofer wird ihn schon wegräumen, nicht wahr?

Der Autor lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Michael Rosenzweig

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