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Heimat ist auch ein Sehnsuchtsort. Pfarrerin Ute Hagmayer schreibt, "bei aller Beheimatung hier im schönen Zehlendorf, merken wir aber auch, dass wir nur Gast auf Erden sind.

© AnneLiWestBerlin auch unter www.anneliwest.blogspot.com

Eine Zehlendorfer Pfarrerin über Heimat: Lebensmöglichkeit, nicht nur Herkunftsnachweis

Sie wohnt seit 24 Jahren in Zehlendorf und kann sich "kaum einen schöneren Ort vorstellen". Unsere Autorin ist Pfarrerin in der Ernst-Moritz-Arndt-Kirchengemeinde und schreibt hier, was sie mit dem Begriff Heimat verbindet.

Zehlendorf - ist hier meine Heimat? Das frage ich mich schon länger. Weit mehr als die Hälfte meines Lebens habe ich in Berlin verbracht und den längsten Teil davon in Zehlendorf, hier in unserer Gemeinde. Mein Theologiestudium begann ich 1978 und musste mich damals für einen Studienort entscheiden. Da ich aus dem Ruhrgebiet kam, hätten meine Eltern es gerne gesehen, wenn ich in ihrer Nähe, vielleicht in Münster, Bethel oder Bochum studiert hätte. Ich wollte gerne nach Berlin.

Ein Freund, der in Spandau wohnte, begleitete mich zur Kirchlichen Hochschule, die damals am Teltower Damm lag. Er fuhr durch den Grunewald, die Königsallee und dann die Onkel-Tom-Straße entlang bis Zehlendorf Mitte. Ich wusste, er tat dies, weil ich diese schöne Gegend kennen lernen sollte. Ich weiß noch, wie ich damals dachte, dass Berlin doch wunderschöne Stadtteile hat. Dass ich Jahre später über Stationen in Moabit, Charlottenburg und Steglitz hierher ziehen und hier arbeiten würde, ahnte ich damals noch nicht.

Seit gut 24 Jahren wohnen wir hier, meine Kinder sind hier aufgewachsen, und ich fühle mich mehr als heimisch auf diesem Fleckchen Erde. Einmal im Jahr versuche ich noch, in meine alte Heimat zu fahren, die Gräber meiner Eltern zu besuchen und ein bisschen Ruhrgebietsluft zu schnuppern. Ich genieße es dann, über den Markt zu gehen und die Marktfrauen in dem unnachahmlichen Dialekt ihre Ware anpreisen zu hören.

Auch wenn Zehlendorf und unsere Gemeinde vielleicht nicht meine Heimat sind in dem Sinne, dass ich mit diesem Ort Kindheitserinnerungen verbinde, hier zur Schule gegangen wäre und alte Freunde hätte, meine Wahlheimat ist es auf alle Fälle. Ich könnte mir kaum einen schöneren Ort vorstellen, an dem ich leben möchte. Deshalb bin ich sehr dankbar, „Zehlendorferin" geworden zu sein.

Die Autorin ist Vorsitzende Pfarrerin in der Ernst-Moritz-Arndt Kirchengemeinde (EMA). Sie lebt in Zehlendorf.
Die Autorin ist Vorsitzende Pfarrerin in der Ernst-Moritz-Arndt Kirchengemeinde (EMA). Sie lebt in Zehlendorf.

© privat

Heimat ist wahrscheinlich immer noch das, was man früher darunter verstand, als die Brüder Grimm 1877 in ihrem Wörterbuch schrieben: "Heimat, das Land oder auch nur der Landstrich, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat". Heimat kann man sich wählen oder auch einen geliebten und vertrauten Ort dazu erklären.

Man kann auch mehr als eine Heimat haben. Vielen „Neuberlinern" geht es vielleicht so, dass Berlin zu ihrer zweiten Heimat wird. Menschen mit Migrationshintergrund äußern häufig, dass sie sowohl ihr Herkunftsland als auch ihr jetziges Land, in dem sie leben, als Heimat empfinden. Dann wäre Heimat Lebensmöglichkeit und nicht nur Herkunftsnachweis.

Wir Menschen möchten Heimat finden, möchten uns niederlassen, sesshaft werden, möchten das Gefühl von „Angekommen-Sein" erleben. Wir sehnen uns nach dem Ort, von dem wir sagen können: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein." Wir trauern dem Paradies als Ort nach, wo Menschen so leben dürfen, wie Gott sie eigentlich gewollt hat: gut aufgehoben in der Nähe von Gott und in der Nähe von Menschen, die wir mögen und die uns mögen.

Bei aller Beheimatung hier im schönen Zehlendorf, merken wir aber auch, dass wir nur Gast auf Erden sind, alle Heimat vorläufig ist, wir hier keine „bleibende Stadt haben", und in aller Sehnsucht nach Heimat „die zukünftige suchen" (Hebräerbrief 13,14).

Die Autorin ist Vorsitzende Pfarrerin in der Ernst-Moritz-Arndt Kirchengemeinde (EMA). Sie lebt in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels aus dem Südwesten.

Ute Hagmayer

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