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Die BVV Steglitz-Zehlendorf diskutierte über die Personalnot im Jugendamt.

© Anett Kirchner

Februar-BVV Steglitz-Zehlendorf: Eine Lösung fürs Jugendamt ist nicht in Sicht

44 Stellen waren Ende 2015 im Jugendamt Steglitz-Zehlendorf unbesetzt. Die BVV streitet darüber, wer dafür verantwortlich ist.

Eine Lösung? Es gibt keine Lösung. „Von einem leitenden politischen Beamten können wir heute nur noch erwarten, dass er möglichst keine Fehler macht.“ Zu dieser Erkenntnis kam der Fraktionsvorsitzende der CDU, Torsten Hippe, am Mittwoch in der Februar-Sitzung der Bezirksverordneten von Steglitz-Zehlendorf. Und er könne nicht erkennen, dass die Bezirksstadträtin hier einen konkreten Fehler gemacht habe. Zur Diskussion standen nicht etwa Themen, die die Bürger hier im Bezirk derzeit bewegen wie Flüchtlingsunterkünfte, marode Schulen, Straßen oder etwa Baumrodungen. Nein. Stattdessen ging es zum wiederholten Mal um angeblich schlecht organisierte Stellenbesetzungen – diesmal jedoch nicht im Hochbauamt, diesmal im Jugendamt.

Hippe erinnerte in dem Zusammenhang an die Finanzlage der Stadt und stellte dieser die zu erwartenden steigenden Fallzahlen im Jugendamt gegenüber. „Es wird schlimmer werden“, prognostizierte er und verglich es mit einer Party ohne Geld. Damit verteidigte er die Jugend-Bezirksstadträtin Christa Markl-Vieto (Grüne), die zuvor von der SPD und den Piraten zur Rede gestellt wurde. Ausgangspunkt war eine Große Anfrage der SPD. Titel: Kollaps des Jugendamts wegen akuter Personalnot? Denn zum Ende letzten Jahres seien dort 44 Stellen unbesetzt gewesen.

„Das ist eine extrem hohe Zahl, ein Unding“, sagte Norbert Buchta, der Fraktionsvorsitzende der SPD. Dass ein Amt innerhalb eines halben Jahres so stark personell ausblute, sei nicht nachvollziehbar. „Ich frage mich, warum sie erst jetzt reagieren, obwohl sie es viel früher gewusst haben“, warf er Markl-Vieto vor. Denn schon in den Protokollen des Jugendhilfe-Ausschusses von Anfang 2015 stehe, dass wohl personelle Engpässe im Jugendamt entstehen könnten.

"Das Problem erkannt, aber nicht gebannt"

Sich nun immer wieder auf die Haushaltssperre und die damit verbundene Stellenbesetzungssperre im letzten Jahr zurückzuziehen, halte er für kontraproduktiv. Zum einen habe die schwarz-grüne Zählgemeinschaft diese Sperre mit getragen und zum anderen sei es möglich, notfalls eine Ausnahmegenehmigung zu erwirken. Daher sein Resümee: „Sie haben das Problem zwar frühzeitig erkannt, aber nicht frühzeitig gebannt.“ Seine Ausführungen wurden indessen mehrfach mit Hippes Zwischenrufen unterbrochen. Im Laufe der Zeit entstand ein Dialog zwischen beiden.

Der Bezirksvorsteher René Rögner-Francke (CDU) mahnte zur Besonnenheit und erinnerte an die Geschäftsordnung der BVV. Ein Zwiegespräch könnten sie gern draußen weiter führen. „Sie sind hier schließlich nicht allein“, sagte er.

Die Vorwürfe will Jugendstadträtin Markl-Vieto nicht auf sich sitzen lassen

Die Verantwortungslosigkeit, die der Jugendamts-Leitung seitens der SPD unterstellt wurde, wollte Christa Markl-Vieto indes nicht auf sich sitzen lassen. Die offenen Stellen seien im letzten halben Jahr entstanden – zum Teil unerwartet. „Einige Mitarbeiterinnen haben sich anderweitig beworben, andere sind zum Beispiel schwanger geworden“, erklärte sie. Wegen der Stellenbesetzungssperre seien ihr jedoch die Hände gebunden gewesen. Erst zum Ende 2015 habe sie die Freigabe für alle vakanten Stellen bekommen. Seit Anfang des Jahres würden jetzt nach und nach die Stellen besetzt. „Ich habe die realistische Hoffnung, dass wir bis zum 30. Juni den regulären Dienstbetrieb im Jugendamt wieder herstellen können“, ergänzte Markl-Vieto. 

Indes sprang Lukas Uhde von der Grünen-Fraktion seiner Bezirksstadträtin zur Seite, in dem er sagte, dass hier wohl ein Problem etwas „aufgebauscht“ werde. Zwar wolle er sich nicht daran beteiligen, verschiedenen Bezirksstadträten die Schuld zuzuschieben, trotzdem erinnerte er just an die heftigen BVV-Diskussionen im letzten Jahr zu den Stellenbesetzungen im Hochbauamt (wir berichteten). „Das lässt sich doch wohl mit dem hier nicht vergleichen“, sagte er. Trotz widriger Umstände habe Markl-Vieto eindrücklich gezeigt, dass sie die Lage in den Griff bekomme. Und sie handle schnell; im Vergleich zu anderen.

Die Piratenfraktion spricht von einer Frage der Prioritäten

„Na ja“, dachte sich da wohl Eric Lüders von der Piraten-Fraktion. „Manchmal ist sie richtig schnell, das stimmt, aber manchmal eben auch nicht“, sagte er. Das sei immer eine Prioritätenfrage. „Denn bei den Themen, wo sie schnell sein sollte, ist sie es nicht.“ Hier in dem Fall interessiere ihn aber letztlich nur, was das alles für den Bürger bedeute: Kann er jederzeit zum Jugendamt gehen, wenn er Hilfe braucht?

Christa Markl-Vieto (Grüne) ist Jugendstadträtin des Bezirks.
Christa Markl-Vieto (Grüne) ist Jugendstadträtin des Bezirks.

© Anett Kirchner

Und außerdem leuchte ihm die Erklärung nicht ein, wenn Mitarbeiterinnen schwanger würden, dass solche Probleme auftauchten. „Ich habe zum Beispiel von dem Autohersteller VW noch nie gehört, dass plötzlich viele Leute schwanger werden und es deshalb zu viele offene Stellen gibt.“ Mit dem Vergleich sorgte Eric Lüders für ein lang anhaltendes Lachen im Bürgersaal des Rathauses Zehlendorf. Viele konnten sich kaum beruhigen. Der Bezirksvorsteher musste vehement klingeln, um wieder für Ruhe zu sorgen.     

Christa Markl-Vieto ärgerte sich offensichtlich über diese Argumentation und trat noch einmal ans Rednerpult. „Das ist mir hier zu ungenau“, begann sie. Ein Amt könne man doch nicht mit einer Firma vergleichen. Wenn in einem Amt eine Stelle frei würde, sei das Besetzungsverfahren viel komplizierter. „Das ist der Nachteil des Beamtentums.“ Und dann ergänzte sie noch, dass es falsch wäre, wenn hier der Eindruck entstehe, dass das Jugendamt seine Kernaufgaben nicht mehr erfülle. Jeder könne zum Jugendamt gehen und würde im Notfall einen Ansprechpartner finden.  

Die Autorin ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel-Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auf Twitter und auch der Redaktion Zehlendorf .

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