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In Klaus von Krosigks neuestem Beitrag für das Chronik-Heft des Heimatmuseums Zehlendorf erfährt der Leser wieder viele Geschichten zur Kulturlandschaft im Südwesten Berlins.

© Imago

Von der Zehlendorfer Kulturlandschaft: Berlins Vorgarten

Klaus von Krosigk, ehemaliger Leitender Gartenbaudirektor Berlins, hat für den Zehlendorfer Heimatverein über die Kulturlandschaft im Südwesten geschrieben. Unser Autor hat sich das Chronik-Heftchen angesehen und stellt es hier vor.

Mit einem Appell, die charakteristischen Berliner Vorortbereiche zu erhalten, beschließt Klaus von Krosigk das neueste Chronik-Heftchen des Heimatvereins Zehlendorf. Unter dem Titel „Ein Ort zwischen Berlin und Potsdam – Die Kulturlandschaft des Berliner Südwestens“ spricht sich von Krosigk, ehemals Leitender Gartenbaudirektor in Berlin, dafür aus, „den Villen und Landhäusern, den Vorstadtkirchen, aber auch zahlreichen weiteren öffentlichen Gebäuden ihren unverzichtbaren Lebensraum Garten, Park und Landschaft zu erhalten“. Er sagt voraus, dass „erst die Synthese beider Elemente – Haus und Garten – und ihr gemeinsamer Erhalt … auf Dauer die Lebensqualität auch des Berliner Südwestens sichern können“.

Im kürzlich erschienenen Heft 19 der Zehlendorfer Chronik beschreibt von Krosigk die Kulturlandschaft in Steglitz-Zehlendorf. Seit 1990 in den Rang eines Unesco-Weltkulturerbes erhoben, bilden die im Berliner Stadtgebiet liegenden Schlösser und Gärten von Klein-Glienicke, die Pfaueninsel, Moorlake und Nikolskoe die äußerste westliche Grenze der in der 64-seitigen Broschüre betrachteten Kulturlandschaft. Weitere Stationen auf dem kenntnisreichen Rundgang durch die Geschichte sind die Landschaft rund um den Kleinen und Großen Wannsee, die Insel Schwanenwerder, die Villenkolonien Nikolassee und Fichtenberg und das Gut Steglitz.

Kasino im Schlosspark Klein-Glienicke
Kasino im Schlosspark Klein-Glienicke

© Lothar Beckmann

Das lange Zeit vergessene „bürgerliche“ Gegenstück des königlichen Potsdamer Welterbes ist die Kolonie Alsen in Wannsee, die sich in den Villengebieten in Schlachtensee und Zehlendorf-West fortsetzt. Der Südwesten Berlins sei eben nicht nur durch den Grunewald und den Düppeler Forst und die seen- und inselreiche Havellandschaft geprägt, sondern auch durch diese in über 200 Jahren gewachsene, einzigartige Bau- und Gartenkultur, führt von Krosigk aus. Und: Natur- und Kulturlandschaft würden die Grundlage für diesen traditionell von „begüterten Schichten“ Berlins bevorzugten Siedlungsraum bilden.

Auch der halbwegs heimatkundlich interessierte Leser des Chronik-Heftchens erfährt noch manches Neue aus der Region. So zum Beispiel wurden im von Prinz Carl von Preußen (1801-1883) aufgekauften Dorf Glienicke die ärmlichen Bauernhäuser abgerissen und durch den Bau von etwa zehn großen Schweizerhäusern wurde ein Kunstdorf errichtet. Mit ihren tief heruntergezogenen Pultdächern und umlaufenden Balkongalerien gaben sie dem Dorf zwischen Jagdschloss Glienicke und dem Böttcherberg ein einzigartiges Gepräge. Die etwas „gebirgige“ Landschaft nutzend, wohnten in der „Schweiz“ von Klein-Glienicke neben Beamten der prinzlichen Verwaltung die ersten zahlungskräftigen Berliner in ihren Sommerwohnungen.

Schloss Pfaueninsel
Schloss Pfaueninsel

© Lothar Beckmann

Oder: Der in Heckeshorn stehende Flensburger Löwe ist eine Zinkguss-Kopie des vom dänischen Bildhauer Hermann Wilhelm Bissen (1789-1868) geschaffenen Bronzelöwen. Diese Bronze-Skulptur wurde als Erinnerung an die 1850 gefallenen siegreichen Dänen in der Schlacht von Idstedt geschaffen, 1862 auf dem dänischen Friedhof in Flensburg enthüllt und hatte bis 1945 ganz verschiedene Standorte, unter anderem auch im Hof des Berliner Zeughauses, in der Kadettenanstalt in Lichterfelde und im Kopenhagener Zeughaus.

Seit 2011 steht dieser Löwe wieder an seinem ursprünglichen Standort in Flensburg. Die Wannseer-Kopie jedoch wurde 1874 auf private Initiative des Berliner Bankiers Wilhelm Conrad angefertigt und stand auf einer hohen Sanddüne inmitten der Wannseelandschaft. Nach dem Tode Conrads verwilderte die Umgebung des so genannten Löwenparks. Im Jahr 1938 wurde deshalb der Löwe samt Sockel demontiert und an seinen heutigen Standort versetzt – und seitdem führt die „Straße zum Löwen“ nicht mehr zum Denkmal.

Die Kirche St. Peter und Paul auf Nikolskoe
Die Turmspitze der Kirche St. Peter und Paul auf Nikolskoe

© Lothar Beckmann

Viel Raum widmet von Krosigk dem Schaffen des Architekten Hermann Muthesius (1861-1926) in dieser Kulturlandschaft. Muthesius errichtete 1906 ein eigenes Landhaus am oberen Rand der südlichen Rehwiese und löste dadurch zahlreiche Folgeaufträge in der Kolonie aus. Vom englischen Grundriss seiner Häuser ausgehend, gestaltete er die unmittelbar angrenzenden Gärten streng formal und stets nach raumkünstlerischen Prinzipien klar gegliedert.

„Seien es nun Blumen- und Rosenterrassen, Vor- und Eingangshöfe, Obst- und Küchengärten, aber auch Spielplätze für die Kinder, ihnen allen ist zu eigen, dass sie jeweils einen direkten Bezug zu einem entsprechenden Zimmer, Wohn- oder Arbeitsbereich im Haus suchen,“ schreibt von Krosigk. Noch heute existieren fünf von Hermann Muthesius geschaffene Gärten im Umfeld der Rehwiese in Nikolassee: Haus Wild, Der Mittelhof, Landhaus Freudenberg, Landhaus Muthesius und Haus Vowinckel. Sie alle zeigen traditionelle Gartenelemente.

Im letzten Kapitel der Schrift ruft von Krosigk zu Schutz und Pflege der Kulturlandschaft auf. Er erwähnt einen Beitrag von Julius Posener im Tagesspiegel vom 21. Februar 1971, in dem der Baugeschichtslehrer für Bildende Künste in Berlin zum Kampf um die Rettung der wertvollen städtebaulichen Substanz aufrief. Dieser Beitrag sei fast legendär, weil er erstmalig der Protestbewegung gegen die hemmungslose Verwertung hochgeschätzter Bausubstanz Gehör verschaffte.

Von Krosigk spricht sich für „Kulturlandschaftspläne“ aus, die zur Sicherung der Berliner Vorstadtzonen aber nur dann wirksam werden können, „wenn sie auf breiter fachlicher Basis interdisziplinär erarbeitet, eine möglichst breite und tragfähige gesellschaftliche Akzeptanz erhalten“.

Heft Nummer 19 der Zehlendorfer Chronik „Ein Ort zwischen Berlin und Potsdam – Die Kulturlandschaft des Berliner Südwestens“ ist für eine Schutzgebühr von drei Euro im Heimatverein Zehlendorf, Clayallee 355, 14169 Berlin, Montag und Donnerstag von 10 bis 18 Uhr sowie Dienstag und Freitag von 10 bis 14 Uhr, erhältlich.

Der Autor hat viele Jahre für die Stiftung Warentest gearbeitet und lebt mit seiner Familie in Zehlendorf. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.

Lothar Beckmann

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