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Meltem Ohle, 16, ist Schülerin am musikbetonten Droste-Hülshoff-Gymnasium in Zehlendorf.

© privat

Zehlendorf-Bloggerin zurück aus der Türkei: "Die intensivste Zeit meines Lebens"

Sie sagt selbst: Es war ein Kulturschock, aber jetzt, wo sie wieder in Berlin-Zehlendorf ist, vermisst sie es. Unsere Bloggerin war zehn Monate an einer Schule im türkischen Izmir und hat immer wieder über ihre Erlebnisse gebloggt. Hier ihr Fazit.

Endlich wieder zu Hause sein, die Aufregung und Freude darüber war riesig. Vor allem auf Berlin als Stadt habe ich mich gefreut: Wieder an der Spree zu sitzen, lange draußen zu sein, die vielen unterschiedlichen Menschen aus allen Ländern. Izmir ist eine tolle Stadt, aber längst nicht so international wie Berlin. Das trifft auch auf die Türkei generell zu.

Nichtsdestotrotz ist es mir auch sehr schwer gefallen zu gehen. Zehn Monate an einem zuerst fremden Ort zu wohnen und dann wieder gehen zu müssen, wenn es gerade am Schönsten ist, war sehr hart für mich. Wie auf den Kindergeburtstagen früher: Immer wenn man am meisten Spaß hatte, kamen die Eltern um einen abzuholen. Allerdings denke ich, dass es am Ende auch gerade deshalb am besten ist, weil man weiß, dass es bald nach Hause geht. Von zu Hause nach Hause. Es ist toll einen Ort in einem anderen Land zu haben, an dem man sich zu Hause fühlt.

Ein Kulturschock

Das Einleben wird noch einige Zeit dauern, es ist mir immer wieder passiert, dass ich türkische Wörter benutzt habe wie etwa „Tamam" (ok). Was ich vermisse, ist die türkische Herzlich- und Freundlichkeit. Dort sagt man beispielsweise Phrasen wie „Kolay gelsin" ("es soll dir leicht fallen)“, wenn man an jemandem vorbei kommt, der arbeitet. Als ich mit meiner Mutter Sushi holen war, wäre es mir fast rausgerutscht. Angenehm war auch die Tatsache, dass die Türkei viel billiger ist als Deutschland. Dadurch konnten wir Austauschschüler uns sehr oft unseren Lieblingsbeschäftigungen widmen: Essen gehen, von Café zu Café ziehen, Çay (türk. Tee, im Allgemeinen schwarzer Tee) und türkischen Kaffee trinken und  so weiter. Wir hatten alle (zu) viel Freizeit, und da die Schule langweilig war, haben wir uns gerne auch schon vormittags getroffen. Das ist einer der Aspekte des Auslandsjahres, die mir gar nicht gefallen haben. Von 9 Uhr bis halb fünf in der Schule zu sitzen, nichts zu verstehen oder zu lernen wird auf die Dauer sehr frustrierend, weil es sinnlos ist. Da wir in Berlin ja nur zwei Jahre Oberstufe haben, muss ich ohnehin die 11. Klasse wiederholen.

An der Hafenpromenade von Izmir.
An der Hafenpromenade von Izmir.

© AFP

Ich erinnere mich, dass ich in meinem ersten Artikel geschrieben hatte „Ich komme nicht als Touristin her.“, und dass ich schon einige kleine Dinge wüsste über die Kultur hier. Im Nachhinein hatte ich einen großen Kulturschock, da es in der Türkei doch sehr anders ist als in Deutschland. Ich war nicht darauf vorbereitet und hatte andere Vorstellungen. Dass ich abends nicht lange raus durfte, war für mich keine große Überraschung, trotzdem war das sehr anstrengend, wenn man anderes aus Deutschland gewöhnt war. Letztendlich hatte ich sogar noch Glück mit 20h30 als Mädchen. Anstatt abends draußen mit Freunden zu sein, war ich dann eben zu Hause und habe mit meiner Gastfamilie Fernsehen geguckt etc.

Auch das Fernsehen war ein Punkt, der mich sehr gestört hat, da er fast durchgängig gelaufen ist. Doch alles in allem hatte ich ein tolles Jahr, und ich kann es jedem empfehlen, ein Auslandsjahr zu machen. Man lernt viele neue Leute kennen, ein anderes Land, eine andere Kultur. Dadurch wird man viel offener und kann Dinge auch aus anderen Perspektiven betrachten, aus einem anderen kulturellen Blickwinkel. Außerdem erhöht sich die Frustrationstoleranz, da man viele Dinge aushalten muss, zum Beispiel die Tatsache, dass man anfangs nichts versteht und nicht kommunizieren kann. Zum Glück konnten meine Mitschüler und Gastfamilie einigermaßen gut Englisch.

Es ist auch schön, woanders zu leben und einen neuen Ort für sich zu entdecken. Die Welt ist riesig, und man kann in fast allen Ländern ein Auslandsjahr und ähnliches machen. Eine Freundin von mir war beispielsweise mit Rotary in Taiwan. Wenn man in ein nicht englisch-, französisch- oder spanischsprachiges Land geht, also eins deren Sprache man nie im Unterricht hatte, ist es härter, da man anfangs wirklich nichts versteht. Doch mit der Zeit ergibt sich das, ich kann türkisch mittlerweile auch fließend sprechen, auch wenn es natürlich immer noch Situationen gibt, in denen ich mich nicht gut verständigen kann.

Wie gesagt, ich kann es nur empfehlen, man macht tolle und auch schwierige Erfahrungen. Es ist zwar eine Herausforderung, die sich aber meistern lässt, wenn man genug Geduld hat und offen auf die Leute zugeht. Es war die intensivste Zeit meines Lebens, und ich merke schon, wie ich vieles vermisse. Zum Glück fahre ich jedes Jahr in die Türkei und kann dort meine Gastfamilie und Freunde besuchen. Ich war nach meiner Rückkehr aus Berlin auch schon wieder in der Türkei im Sommerurlaub und auch bei meiner Gastfamilie in Izmir. Als ich mich mit Freunden in der Stadt getroffen habe, war das ein total normales Gefühl, als ob ich nicht weg gewesen wäre in Berlin und angefangen hätte, mich dort wieder einzuleben.

Und wenn ich meine Austauschschülerfreunde besuchen will, muss ich eben in die USA, nach Mexiko oder Belgien. Es ist bitter, wenn so enge Freunde so weit weg wohnen, dass man sich nur sehr selten sehen kann. Ohne das Auslandsjahr hätte ich sie aber gar nicht kennen gelernt. Ich hätte die vielen Sachen nicht erlebt,  schöne Erfahrungen nicht machen können, kein Türkisch gelernt, und deswegen gilt: „Don’t be sad that it is over. Be happy that it happened.“

Die Autorin ist 16 und Schülerin am Droste-Hülshoff-Gymnasium in Zehlendorf. Sie war für zehn Monate auf einer Schule in Izmir. Aus der Türkei hat sie regelmäßig für gebloggt. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin des Tagesspiegels.                       

Meltem Ohle

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