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Zehlendorfs etwas anderes Krippenspiel: Von der Eroberung der Herzen

„Weihnachten verändert Menschen“, heißt das Krippenspiel der Kirchengemeinde Schönow-Buschgraben, und der Zehlendorf Blog hat es sich angesehen und findet, der Titel sollte unbedingt halten, was er verspricht! Wir wünschen Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ein frohes Fest.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde…“ Am Heiligen Abend wird dieser Satz wieder in vielen Kirchen in Steglitz-Zehlendorf und der ganzen Welt die christliche Weihnachtsgeschichte einleiten. Sie erzählt von der Geburt Jesu aus Sicht des Evangelisten Lukas, niedergeschrieben in der Bibel und oft szenisch dargestellt in einem traditionellen Krippenspiel. Doch Moment! In der Zehlendorfer Evangelischen Kirchengemeinde Schönow-Buschgraben beginnt im Gottesdienst um 16.30 Uhr diese Geschichte etwas anders: „Hoppla, was ist denn jetzt schon wieder los? Was wollen die denn alle hier? Haben die kein Zuhause, oder was?“

Nicht etwa Maria und Josef, nein, ein Mann ohne Namen, etwas älter schon, nachlässig gekleidet, einsam, brummig, ohne Job und mit Bierflasche in der Hand ist die Hauptfigur in diesem Krippenspiel. Von ihm stammen die launischen Eingangsworte. Doch dann trifft er auf einen Christen, der ihm erklärt, dass Weihnachten ist, ein frohes Fest, an dem die Menschen eigentlich freundlich zueinander sein sollten.

"Ach du meine Güte! Jetzt geht das wieder los. Die Leute rennen mit Paketen durch die Gegend. Aus allen Häusern dudelt Musik. Ständig läuten die Kirchenglocken. Kinder machen Lärm. Weihnachten kann mir gestohlen bleiben. Ich will meine Ruhe haben“, findet jedoch der Mann.  

Die beiden ungleichen Protagonisten gehen gemeinsam ein Stück durch die Kirche an der Andrèezeile, unterhalten sich und treffen auf eine Menschenmenge, die im Begriff ist, das traditionelle Krippenspiel aufzuführen. Josef und seine schwangere Frau Maria suchen gerade in Bethlehem eine Herberge, werden mehrfach abgewiesen und finden schließlich eine bescheidene Bleibe in einem Stall.

„So komische Leute, die abends noch auf der Straße rumlaufen, hätte ich auch nicht reingelassen. Ist sowieso unverantwortlich. Der Mann soll seine hochschwangere Frau mal lieber ins Krankenhaus bringen“, sagt der immer noch übel gelaunte ältere Mann, woraufhin ihm der Christ zu verstehen gibt, dass diese Geschichte 2000 Jahre alt ist und es damals noch keine Krankenhäuser gab.

Dann nimmt die Weihnachtsgeschichte, wie Christen sie sich erzählen, ihren Lauf. Jesus wird geboren, das Kindlein liegt in einer Krippe, Stroh ersetzt sein Bettchen. Die Tiere im Stall spenden Wärme. Hirten eilen herbei. Engel singen. Ein heller Stern weist drei Waisen aus dem Morgenland den Weg in den Stall. Es ist ein Bild, das die Herzen vieler Menschen jedes Jahr aufs Neue um diese Zeit erweicht. So auch das Herz des alten, brummigen Mannes. Er reflektiert diese Geschichte auf sein eigenes Leben, erst abweisend, dann zögerlich aufhorchend und am Ende versöhnend.

„Weihnachten verändert Menschen“, ist der Titel dieses etwas anderen Krippenspiels, modern, adaptiert in unsere heutige Zeit und geschrieben von Jutta Behmenburg. Der Pfarrer der Kirchengemeinde Schönow-Buschgraben, Claas Ehrhardt, hat es im Internet auf der Homepage „Kirche mit Kindern“ entdeckt und fand sofort, dass es zu seiner Gemeinde passen würde. Weil sie immer für neue Ideen aufgeschlossen ist, wie er sagt.

Claas Ehrhardt weiß, dass an Weihnachten wieder viele Menschen den Weg in die Kirche an der Andréezeile finden werden. Im letzten Jahr waren es fast 1000 Gäste in vier Gottesdiensten. „Ich hoffe, dass sie nicht nur mit einem guten Weihnachtsgefühl nach Hause gehen, sondern auch etwas von unserer christlichen Botschaft mitnehmen“, sagt er. Und dass das Krippenspiel um 16.30 Uhr überhaupt stattfindet, hat sich erst an diesem Montag entschieden. Denn abends war die erste Probe mit allen Mitwirkenden. Jetzt ist die Aufregung groß. Text, Schrittfolge und Rollen müssen sitzen – ob am Heiligen Abend alles klappt?

Jurij Richter freut sich schon. Er spielt den brummigen, alten Mann, obwohl der 25-jährige Student, der seit seiner Abiturzeit gern Theater spielt, weder alt noch brummig ist. Die Kirchengemeinde Schönow-Buschgraben kennt er seit seiner Kindheit und findet, dass die Atmosphäre im Weihnachtsgottesdienst mit dem Krippenspiel leichter wird.

Und mit der Figur des griesgrämigen Mannes, der dem christlichen Glauben skeptisch gegenüber steht, kann sich Richter in gewisser Weise identifizieren. „An Gott glauben, fällt mir manchmal schwer, weil ich sehr der Wissenschaft verbunden bin“, erzählt er. Auf der anderen Seite habe er bei sich selbst auch einmal eine Wandlung, wie sie seine Figur erlebt, beobachtet. „Kirche lässt niemanden allein, ist Anker in der Not, oft, ohne dass man es merkt“, beschreibt er. Und so kann vielleicht die Figur des alten Mannes eine Brücke für jene sein, die sie brauchen.

Anett Kirchner ist freie Journalistin und bloggt seit Januar 2014 auch für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels
Anett Kirchner ist freie Journalistin und bloggt seit Januar 2014 auch für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels, außerdem schreibt sie für die evangelische Wochenzeitung "dieKirche".

© privat

Menschen sehnen sich gemeinhin nach Glück, Harmonie, Liebe und Geborgenheit. An Weihnachten scheinen diese Ziele erreichbarer als sonst. Warum? Das kann nur jeder für sich allein beantworten. Fest steht jedoch, dass es auf individuelle Weise sicher möglich ist, denn „Weihnachten verändert Menschen“, macht sie nachdenklich und sanft. Wäre schön, wenn nicht nur für diese kurze Zeit.

Na dann, frohes Fest, liebe Leserinnen und Leser!

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt seit Januar 2014 als lokale Reporterin regelmäßig für den Zehlendorf Blog des Tagesspiegels.

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