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Berlin: Bleibende Werte

Wie stark strahlen Pilze? Wer es wissen will, muss zur Strahlenmessstelle

War da nicht was? Pilze – aus Osteuropa und überhaupt? Tschernobyl – schon vergessen? Wer Klarheit haben will, ob die gesammelten Pilze bleibende Werte sind, die den Konsumenten auf Dauer strahlen lassen, dem bleibt nur der Gang zur Berliner Strahlenmessstelle.

1986 war die Strahlenmessstelle so bekannt wie kaum eine andere Berliner Behörde. Radioaktive Wolken zogen auch über Berlin, die Beunruhigung der Bevölkerung war groß. Lange her. Heute arbeitet die Messstelle ziemlich unbemerkt.

Im Laborraum geht es zu wie in einer normalen Küche. Auf einem Tisch liegt ein Kilo Pflaumen aus Glienicke, das per Hand entsteint wird. Das Obst wandert später in den Ofen. „Wir machen das, was eine Hausfrau nicht darf, wir lassen alles anbrennen“, sagt Bernd Leps. Er ist der Leiter der Strahlenmessstelle.

Der Vorgang heißt Veraschung und ist notwendig, um das Volumen der Probe zu reduzieren. Weil es dabei entsetzlich stinkt, sind große Abluftanlagen installiert worden. Die Asche wird später chemisch aufbereitet und kommt danach in eines der Messgeräte. Die Detektoren sind mit 14 Tonnen Blei abgeschirmt, um genaue Werte zu liefern. „Eine Feinmessung kann ein ganzes Wochenende dauern“, sagt der 53-jährige Leps. Nach Tschernobyl seien manchmal rund 3600 Proben im Monat untersucht worden, derzeit seien es etwa 1000 im Jahr.

Und was ist nun mit den Pilzen? Bernd Leps beruhigt. Während in den meisten Lebensmitteln wie Milch, Gemüse, Obst und Fleisch der Gehalt an Caesium-137 inzwischen weit unterhalb von einem Becquerel pro Kilogramm oder Liter liegt, können Lebensmittel aus Waldgebieten wie Pilze, Wildfleisch und Wildbeeren wegen der Speicherfähigkeit des Bodens auch heute noch eine deutlich höhere Aktivität aufweisen. Die Pilzproben aus Berlin liegen trotzdem alle weit unter dem Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm, sagt Leps. Werte für Pilze aus Polen hat die Messstelle nicht.

Neben in Berlin produzierten Lebensmitteln werden auch Boden, Regen- und Abwasser, Klärschlamm, Wasser aus Seen und Flüssen, Futtermittel und sogenannte Bioindikatoren wie Fichtennadeln überprüft. Wie viel natürlicher Umweltradioaktivität ist ein Mensch ausgesetzt, ist die Frage. „Es gibt auch ohne Atomwaffenversuche oder Kernkraftunglücke radioaktive Stoffe in der Umgebung“, erläutert Leps. Berlin sei aber wegen seiner sandigen Böden nach Bremen das Bundesland mit der geringsten Grundradioaktivität. Trotzdem gibt es beunruhigte Bürger. Leps kann das verstehen. „Radioaktivität kann man schließlich nicht sehen, hören, oder fühlen.“

Obwohl mehr Menschen durch Verkehrsunfälle als durch Radioaktivität zu Schaden kommen, sei das Gefühl der Bedrohung viel stärker. Die Ingenieure der Strahlenmessstelle fahren deshalb zu Berlinern, die eine erhöhte Strahlung in ihrer Umgebung vermuten, und messen nach. „Wir haben schon mal auf einem Dachboden radioaktive Proben gefunden, die einem verstorbenen Professor gehörten und von den Erben dort abgestellt wurden“, erzählt Leps. Davon sei aber keine Gefahr für Hausbewohner ausgegangen.

Auch an einem eher ungewöhnlichen Ort haben die Mitarbeiter der Behörde schon Messungen durchgeführt. Der U-Bahnhof Rosenthaler Platz rückte wegen seiner vielen orangefarbenen Kacheln ins Visier der Behörde. „Die Farbe wird mit dem Schwermetall Uran hergestellt, weil es beim Brennvorgang sehr hitzebeständig ist“, sagt Leps. Die Strahlung ist laut dem Experten jedoch belanglos. Auch für Menschen, die sich länger auf dem U-Bahnhof aufhalten, besteht keine Gefahr. Claudia Stäuble

Claudia Stäuble

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