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Berlin: Blick in die Röhre

Nach zehn Jahren ist Berlins neue, schnelle Nord-Süd-Verbindung fertig: der Tiergartentunnel Am morgigen Sonntag können Fußgänger ab 12 Uhr die zweieinhalb Kilometer lange Strecke erkunden

Es ist so weit: Mehr als zehn Jahre nach dem Baubeginn wird der 2,4 Kilometer lange Tunnel der Bundesstraße B 96 unter dem Tiergarten eröffnet. Inspizieren kann man ihn am Sonntag, aber nur zu Fuß – beim Tag des offenen Tunnels. Eine Woche später sollen dann, wenn die Prognosen der Verkehrsplaner zutreffen, täglich bis zu 50 000 Autos durch die Röhren fahren, eine schnelle Nord-SüdDirektverbindung. Umständliche Fahrten über die Entlastungsstraße oder den Großen Stern entfallen. Die unterirdische Variante soll das Parlaments- und Regierungsviertel vom Durchgangsverkehr entlasten. Verkehrsexperten wie Jörg Becker vom ADAC befürchten allerdings, dass der Tunnel den Stau produzieren wird, den er vermeiden soll.

Als neuralgische Stellen gelten die Ein- und Ausfahrten am Kemperplatz bei der Philharmonie sowie an den Uferstraßen am Landwehrkanal. Hier müssen sich die Autofahrer an Kreuzungen in den Ost-West-Verkehr einfädeln. Der Straßenzug Leipziger/Potsdamer Straße ist schon heute extrem stauanfällig. Nicht viel besser sieht es am Reichpietschufer und am Schöneberger Ufer entlang des Landwehrkanals aus. Der wird bei der Weiterfahrt in Richtung Kreuzberg auf einer neuen Brücke überquert.

In Richtung Süden müssen die Autofahrer dann den Weg über die Potsdamer Straße nehmen. Auch die ist schon heute meist verstopft. Vor allem DaimlerChrysler hatte mehrfach gefordert, eine kreuzungsfreie Verbindung vom Landwehrkanal bis zum Schöneberger Autobahnkreuz zu schaffen. Doch der Senat hat die Pläne, hier eine Autobahn zu bauen, beim Start der großen Koalition Anfang der neunziger Jahre aufgegeben. Die Planer legten den neuen Tunnel als Stadtstraße an – mit einspurigen Abschnitten. Auch auf die bei der Autobahn geplanten Zufahrten an der Straße des 17. Juni verzichteten sie.

Weil der Bund aber nur eine Autobahn voll finanziert hätte, musste Berlin den größten Teil der Baukosten von 390 Millionen Euro selbst aufbringen. Seither fehlte dieses Geld unter anderem bei der Unterhaltung der bestehenden Straßen. Weniger problematisch als im Süden dürfte die Ein- und Ausfahrt im Norden an der Heidestraße werden. Dort wird der Hauptverkehr vom Tunnel in Richtung Norden führen. Mit nennenswertem Verkehr auf der Heidestraße nach Süden zur Invalidenstraße rechnen die Planer nicht.

Auch an den Tunnel selbst werden sich die Autofahrer erst gewöhnen müssen. Er ist kurven- und steigungsreich und damit nicht immer übersichtlich. Zudem sind die Zufahrten ungewöhnlich: Am Hauptbahnhof und am Kemperplatz kommen die einbiegenden Fahrzeuge von links statt wie üblich von rechts. Und wer den Tunnel verlassen will, muss sich ebenfalls nach links und nicht nach rechts orientieren. Auch deshalb hat der Neubau die modernste Sicherheitstechnik erhalten, die es derzeit gibt (siehe Grafik). Dazu gehören Notrufstationen am Fahrbahnrand, Notgehwege und Notausstiege. Temperaturfühler erkennen einen Brand frühzeitig, und die Mitarbeiter der Tunnelleitzentrale in Tegel können mit Kameras den Verkehr überwachen und über Lautsprecher Anweisungen geben. Bei Staugefahr werden die Zufahrten gesperrt.

Anfänglich gab es Pannen beim „Dirigent“ genannten Sicherheitssystem. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) verschob mehrfach den Eröffnungstermin. Erst wenn alles sicher sei, sollten die Autos fahren, sagte sie. Die paar Monate Aufschub fielen bei einer Bauzeit von mehr als zehn Jahren nicht mehr ins Gewicht. Dass das Projekt so lange gedauert hat, lag an den Verzögerungen, die es beim neuen Hauptbahnhof gab. Die Rohbauten für Bahnhof und Tunnel wurden gemeinsam erstellt – und von der Bahn gebaut. Die Tunnelbauer des Senats waren schnell. So schnell, dass die ersten Gewährleistungspflichten der Baufirmen bereits abgelaufen sind.

Am morgigen Sonntag können Fußgänger den Tunnel ab mittags erkunden. Senatorin Ingeborg Junge-Reyer gibt um 12 Uhr an der Tunneleinfahrt Kemperplatz den Startschuss zu einem Lauf unter dem Motto „Wir sind die Ersten: zu Fuß durch den Tiergartentunnel“, an dem sich auch Walker beteiligen.

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