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Berlin: Botschaftsnähe: Auf einmal gibt es keine Einbrüche mehr

Einen trockenen Wintertag hätte Ingrid Luchterhand früher dazu genutzt, in ihrem Vorgarten nach dem Rechten zu sehen. "Wenn ich jetzt draußen bin, ernte ich von den Nachbarn entweder Mitleid oder Spott.

Einen trockenen Wintertag hätte Ingrid Luchterhand früher dazu genutzt, in ihrem Vorgarten nach dem Rechten zu sehen. "Wenn ich jetzt draußen bin, ernte ich von den Nachbarn entweder Mitleid oder Spott." Was die Passanten kommentieren, ist nicht zu übersehen. Zierlich klein wirkt der Klinkerbungalow der Luchterhands neben der silbergrau schimmernden Botschaft Israels, die in den vergangenen zwei Jahren auf dem Nachbargrundstück in der Schmargendorfer Auguste-Viktoria-Straße vier Stockwerke hoch gewachsen ist. Seit die Israelis im Dezember hierher gezogen sind, parken Tag und Nacht drei Einsatzwagen, ein Räumfahrzeug und ein Mannschaftsbus am Straßenrand. Beamte des für Botschaften zuständigen Zentralen Objektschutzes (ZOS) patrouillieren in Dreiergrüppchen auf der verschlafenen Wohnstraße.

Vom Bebauungsplan befreit

Als die Bebauungspläne 1998 bekannt wurden, legten fünf Anwohner Klage gegen die Baugenehmigung ein. Luchterhand will nicht missverstanden werden, ihr Unmut richtet sich nicht gegen die Israelis. "Wir hätten das gleiche bei der amerikanischen Botschaft getan", sagt sie. Ein Sicherheitsabstand von 30 Metern ist bei Gebäuden dieser Art üblich - von ihrem Wohnzimmer bis zur Botschaft sind es gerade mal acht Meter. Die Klage der Nachbarn wurde abgewiesen. Das Bezirksamt genehmigte die Befreiung vom Bebauungsplan, damit in der als Wohngebiet deklarierten Gegend eine Botschaft gebaut werden konnte: Israel habe in Berlin mehrere Standorte geprüft, doch kein anderer sei annähernd so geeignet gewesen wie der in Schmargendorf, hieß es zur Begründung. Das Wohl der Allgemeinheit zähle in diesem Fall mehr als die Interessen der Anwohner.

Die israelische Botschaft wird nicht nur gegen die Angriffe von Neonazis geschützt. Im Februar 1999 versuchte eine Kurdengruppe die Vertretung, damals noch in Grunewald, zu stürmen, um gegen die Festnahme von PPK-Chef Öcalan zu protestieren. Damals erschossen Sicherheitsbeamte drei Aktivisten. "Die Botschaft hat durch den Nahost-Krieg ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis", schätzt die Leiterin des Abschnitt 25, Babett Neelsen, die Lage ein. Allerdings sei es zurzeit ruhig. "Die Gefährdung ist gering", sagt die Polizeirätin, die Schutzmaßnahmen seien ausreichend. "Vollständig lässt sich ein Risiko aber nie ausschließen." Unklar ist noch, was der Ausgang der Ministerpräsidenten-Wahl in Israel für Folgen hat. Als kleinen Trost führt Neelsen an, dass Einbruchsdelikte in der Gegend - früher kein geringes Problem - so gut wie nicht mehr vorkommen.

Das architektonische Konzept des ersten israelischen Botschaftsneubaus in Berlin ist bewusst auf Transparenz ausgelegt. Viel Glas wurde in der geschwungenen Konstruktion der Architektin Orit Willenberg-Giladi verbaut. "Wir wollen ein offenes Haus sein", betonte der neue Botschafter Shimon Stein. In dem kombinierten Residenz- und Konsulatskomplex sollen kulturelle Veranstaltungen stattfinden, zu denen jeder kommen kann. "Noch ist alles neu für uns", erklärt der Sprecher der Botschaft, Yuval Fuchs. Aber schon bald soll die offizielle Eröffnung gefeiert werden. "Wir wollen mit unserer Anwesenheit Gutes tun. Dann können auch die Nachbarn von uns profitieren." Aber schon jetzt sei der Kontakt zu den Anwohnern gut.

Das sieht eine Anliegerin anders, die nicht namentlich genannt werden will, "weil man bei Kritik an der israelischen Botschaft gleich in die antisemitische Ecke gestellt wird." Diese Einstellung liege ihr fern, trotzdem ärgere sie sich darüber, dass sie nicht über Behinderungen durch die Bauarbeiten informiert wurde und sich noch keiner der neuen Nachbarn vorgestellt hat.

Ingrid Luchterhand hat sich in zwei dicken Leitz-Ordnern alle Unterlagen zum Botschaftsbau aufgehoben. Eine frühe Farb- Skizze zeigt den Neubau noch ganz ohne Absperrungen, später folgte ein drei Meter hoher geschmiedeter Zaun, der jetzt an der Straßenfront durch eine blickdichte Wand ergänzt wurde. "Das Versprechen, ein ganz normaler Nachbar zu sein, ließ sich wohl nicht einhalten", sagt die Polizeirätin Neelsen heute. "Das Gebäude kann man nicht durch einen ganz normalen Gartenzaun sichern."

Der Zaun, der auf der Rückseite des Botschaftsgeländes noch nicht erhöht wurde, sorgt für Wirbel in dem angrenzenden Kindergarten der Kreuzkirchengemeinde. "So absurd ist die Vorstellung nicht, dass jemand diese Schwachstelle nutzt und die Kinder als Geiseln nimmt", sagt eine Mutter. Vier Eltern haben ihre Zöglinge aus Sorge bereits abgemeldet, andere setzen sich für einen Umzug ein. Die zuständige Gemeindekirchenrätin Jutta Lockau mahnt zur Besonnenheit: "Der Kindergarten war von Anfang an in den Objektschutz integriert, überall stehen Kameras, und der Zaun soll in den kommenden Wochen erhöht werden." Sie organisierte ein Treffen, bei dem die Sicherheitsbeauftragten der Botschaft und die Polizei die Eltern informierten. "Die Israelis waren von Anfang an sehr hilfreich und nett." Viele Eltern hätten sich auch gefreut, so etwas Besonderes wie die israelische Botschaft in der Nachbarschaft zu haben. Lediglich die massive Polizeipräsenz habe die Stimmung verschlechtert. "Wir nehmen die Sorgen der Eltern ernst", sagt Lockau, ein Umzug des 1962 gegründeten Kindergartens sei jedoch nicht auf die Schnelle möglich. Dazu mangele es an Geld und einem Grundstück.

"Ich bin nicht böse", sagt Ingrid Luchterhand, "irgendwann habe ich mich zwangsläufig mit der Situation abgefunden." Sie zeigt eine "Nachbarrechtliche Vereinbarung" mit dem Staat Israel, die den Bau von zwei absenkbaren Betonpollern vor ihrem Gartentor erlaubt. Damit soll verhindert werden, dass ein Attentäter sein mit Sprengstoff beladenes Auto in ihrer Hauseinfahrt abstellt. Eher amüsiert ist sie darüber, dass die Polizisten bei der Wachablösung morgens um halb sechs kräftig Gas geben, weil sie nach Hause wollen und dass sie neuerdings jemand beobachtet, wenn sie aus dem Fenster schaut. "Dafür wohne ich jetzt im sichersten Haus Berlins."

Barbara Wörmann

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