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Statt zur Urne gehen viele Wähler lieber zum Briefkasten.

© dpa

Briefwahl: Fast 250 000 Berliner haben schon abgestimmt

Die Briefwahl wird immer beliebter: Berlin könnten 2011 einen neuen Rekord aufstellen – die Quote der Briefwähler nähert sich in der Hauptstadt der 30-Prozent-Marke. Warum das der CDU bisher am meisten nutzt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Für viele Berliner müssen die Parteien keinen Wahlkampf mehr machen. Sie haben schon gewählt. Die bezirklichen Wahlämter verschickten bis Dienstagabend 241 190 Unterlagen für die Briefwahl. Täglich kommen etwa 25 000 hinzu. Die meisten Anträge wurden bislang in Steglitz-Zehlendorf gestellt, die wenigsten in Marzahn-Hellersdorf. Bei der Abgeordnetenhauswahl vor fünf Jahren nutzten bereits 24,4 Prozent der Wähler die Möglichkeit, ihre Stimme per Post abzugeben – und es sieht so aus, als wenn die Berliner 2011 einen neuen Briefwahlrekord aufstellen würden.

Bei der Briefwahl geht der Trend seit Jahren nach oben.
Bei der Briefwahl geht der Trend seit Jahren nach oben.

© Tsp/Bartel

Geert Baasen, der die Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin führt, hat eine Vergleichszahl parat: 2006 waren, ebenfalls 26 Tage vor der Wahl, erst 198 175 Wahlscheine ausgestellt. Deutlich weniger als jetzt. Eine Prognose für die laufende Wahl wagt Baasen aber nicht. „Dafür ist es zu früh.“ Doch es scheint nicht ausgeschlossen, dass sich die Briefwahlquote in Berlin der 30-Prozent-Marke annähert, zumal die Parteien stark dafür werben, vor dem Wahltag zu Hause das Kreuzchen zu machen. „Renate kämpft“, steht beispielsweise auf einem Großplakat der Grünen, und gleich daneben der knallrote Slogan: „Briefwahl jetzt“.

Die SPD wiederum fordert ihre Anhänger in Faltblättern und online auf: „Geschickt wählen! Gehen Sie auf Nummer sicher, stimmen Sie per Briefwahl ab“. Die Union wirbt bei Facebook für eine Wahl per Post. „Am Wahltag den Wecker stellen?“, fragt die Linke in einem Videoclip und zeigt, wie eine junge Frau vom Bett aus ihre Stimme abgibt.

Ob die Briefwahl wirklich Bürger mobilisiert, die ansonsten zu Hause blieben, ist unbewiesen. Nachweisbar war bisher nur, dass die CDU davon profitiert, dass die über 60-Jährigen die Briefwahl überdurchschnittlich häufig nutzen. Wenn immer mehr Bürger den Postweg nehmen, könnte sich dieser Effekt abschleifen. Für Bundestagswahlen wurde die Briefwahl 1957 legalisiert. Damals nutzten 4,9 Prozent der Wähler die neue Möglichkeit. Länder und Kommunen folgten, Berlin erstmals im Jahr 1967.

Das Bundesverfassungsgericht erklärte 1981 die Briefwahl für rechtens, weil sie nicht mit einer „übermäßigen Einschränkung oder Gefährdung der Grundsätze der unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl“ verbunden sei. Allerdings mahnten die Richter an: Sollten Missbräuche zutage treten, die geeignet seien, das Wahlgeheimnis zu gefährden, müsse der Gesetzgeber eingreifen. Seitdem wurde die Briefwahl sogar liberalisiert. Heute muss kein Wähler mehr glaubhaft machen, dass er „aus wichtigem Grund“ dem Wahllokal fernbleibt, also beispielsweise weil er krank ist oder arbeiten muss. Noch vor wenigen Jahren stand es so in den Wahlgesetzen.

Auch in Berlin nahm das Interesse an der Wahl vor dem Wahltag ständig zu. Bei der ersten Abgeordnetenhauswahl im vereinten Berlin 1990 beteiligten sich 9,3 Prozent der Wähler per Brief. Im Ostteil der Stadt waren es nur 4 Prozent. Bei dieser Zurückhaltung, wenn auch nicht mehr so stark ausgeprägt, ist es in den östlichen Bezirken geblieben. Doch insgesamt stieg die Briefwahlquote kräftig an. Den Berliner Rekord hält noch die Bundestagswahl 2009 mit 26,5 Prozent.

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