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Berlin: Brisanter Prozess: Innensenator möchte Angeklagte vor Haftantritt abschieben

Am Montag beginnt in Moabit ein mit Spannung erwarteter Prozess, der - ähnlich wie der Fall "Mehmet" in Bayern - weitreichende Folgen haben könnte. Die beiden 16-jährigen Jugendlichen Erdal A.

Am Montag beginnt in Moabit ein mit Spannung erwarteter Prozess, der - ähnlich wie der Fall "Mehmet" in Bayern - weitreichende Folgen haben könnte. Die beiden 16-jährigen Jugendlichen Erdal A. und Taner D. sollen im Januar versucht haben, einen 21-jährigen Mann in einem Friseursalon zu erstechen, weil er in einem anderen Verfahren gegen Erdal A. aussagen sollte. Innensenator Eckart Werthebach (CDU) möchte beide türkischen Jugendlichen abschieben und ihre Strafe in der Türkei verbüßen lassen.

Die beiden Spandauer Erdal A. und Taner D. ließen sich ursprünglich über längere Zeit in einem Friseursalon in der Neuendorfer Straße die Haare schneiden. Vom Inhaber des Ladens verlangten sie, nur einen Teil der Rechnung zahlen zu müssen - bis ihnen der Chef mitteilte, er könne sie nicht mehr billiger bedienen. Im Juli sei es dann zu einer ersten Auseinandersetzung gekommen, bei der die beiden den Ladeninhaber geschlagen hätten, so die Ermittler. Für den 24. Januar war deshalb eine Gerichtsverhandlung angesetzt. Dazu kam es nicht mehr: Am 20. Januar stürmten Erdal A. und sein Freund Taner D. in das Friseurgeschäft und stellten den 21-jährigen Mitarbeiter des Ladens zur Rede, der gegen sie als Zeuge aussagen sollte. Nach einem Wortwechsel soll Erdal A. den 21-Jährigen mit einer Gaspistole geschlagen, später auch geschossen haben. Anschließend hätten die beiden Jugendlichen ihre Messer gezückt und auf ihr Opfer eingestochen. Der 21-jährige Gajur I. erlitt vier lebensgefährliche Stichwunden in Rücken, Schulterblatt und Brust. Die beiden Spandauer sollen nur deshalb von ihrem Opfer abgelassen haben, weil sie dachten, der Mann sei tot. Gajur I. überlebte nur dank einer Notoperation. Bei der Vernehmung gab Erdal A. an, er habe Gajur I. töten wollen, weil dieser als Zeuge aussagen wollte und seine Ehre befleckt habe.

Noch am gleichen Abend gegen 20.25 Uhr sollen Erdal A. und Taner D. zudem einem Busfahrer in Spandau mit der Gaspistole ins Gesicht geschossen haben, weil dieser ihre Fahrscheine kontrollieren wollte. Erdal A. soll außerdem auf einer Party am 28. November vergangenen Jahres einem Partygast nach einem Streit ("Du Arschloch, Ihr seid ja blöd, haltet die Schnauze, ich ficke Deine Mutter") mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben. Erdal A. stellte sich noch in der Nacht des 20. Januar, Taner D. wurde später festgenommen. Beiden wird versuchter Mord aus niederen Beweggründen sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Der Sprecher der Innenverwaltung, Stefan Paris, sagte, Werthebach halte an dem Ziel fest, dass die beiden Jugendlichen ihre Strafe in der Türkei absitzen sollten. Der Innensenator möchte exemplarisch dafür sorgen, dass besonders auffällige Jugendliche mit ausländischem Pass zu Beginn ihrer Haft ins Ausland abgeschoben werden. Die Verwaltung werde aber auf jeden Fall erst den Ausgang des Verfahrens abwarten, bevor sie ausländerrechtliche Schritte prüfe. Die Justizverwaltung lehnt bislang Abschiebungen in die Türkei zur Strafverbüßung prinzipiell ab, da Art und Dauer des Vollzugs nicht dem deutschen Niveau entsprechen. Eine Änderung dieser Praxis sei derzeit "kein Thema", sagte Justizsprecher Karsten Ziegler. Der Fall sei aber "eine Sache mit hochpolitischem Hintergrund". Werthebach hat Innenminister Otto Schily (SPD) gebeten, auf Bundesebene eine entsprechende Vereinbarung mit der Türkei auszuarbeiten.

Der Anwalt von Taner D., Udo Grönheit, sagte, er halte es für "katastrophal, wenn junge Leute, die in Berlin aufgewachsen sind, mit einer Abschiebung noch zusätzlich bestraft werden". Taner D. wurde in Berlin geboren, Erdal A. lebt seit dem Kleinkindalter in Spandau. Beide sitzen seit der Tat in Untersuchungshaft. Das Verfahren wird aufgrund des Alters der Angeklagten unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Holger Stark

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