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Berlin: Brot ohne Eigenschaften

Wie muss Sandwich schmecken? Die Probierrunde um Sommelier Bernhard Moser hat es herausgefunden.

Es gehört zu den Lebensmitteln, deren Wesen sich in der Oberfläche zu erschöpfen scheint. Obwohl das Sandwich aus Großbritannien stammt, wird es hierzulande gerne als etwas Amerikanisches wahrgenommen. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass in jüngerer Zeit Coffeeshops belegte Brote dieser Art ins Programm genommen haben. Die meisten Hersteller – alle wichtigen Toastbrotfabrikanten sind darunter – drucken „American“ auf die Packung. Wer sich auf amerikanische Art sein Sandwich zubereitet, kommt nicht ums Rösten der hellen Scheiben herum. In England verzichtet man darauf genauso wie in Italien, dem dritten Land, in dem das Tramezzino genannte Sandwich sich großer Beliebtheit erfreut.

Die monatliche Testrunde fand sich diesmal in der „Weinschule Berlin“ bei Chefsommelier Bernhard Moser und seiner Lebensgefährtin Sina Holley ein. Schon bei der ersten Probe zeigte sich, dass eine Nase für Wein so etwas Schlichtes wie ein Sandwich genau zu analysieren vermag. Der ziemlich elastische „Golden Toast American Sandwich“ besitzt unregelmäßige längliche Poren, ist im Zentrum fluffig und verdichtet sich zur Kruste hin. Moser nahm neben einem hefigen Duft noch Röstnoten wahr, die ihn Karamell vermuten ließen. Tatsächlich schmeckt Golden Toast eher süß als neutral. Lidls mit dunklem Rand versehenes „Mcennedy Big Sandwich“ saugt den Mund regelrecht leer und wirkt insgesamt wie ein Hefezopf auf Abwegen.

„Ja! American Sandwich“ zieht ebenso Feuchtigkeit an sich. Der ungleichmäßigen Textur, die von einem festen Rand gesäumt ist, entströmt ein säuerlicher Geruch, gefolgt von einem Zwieback-Ton, der diesem Weißbrot fast schon etwas Rigides mitgibt. Beim porösen „Rewe American Sandwich“ wird am Gaumen ein Natron-Ton spürbar, der das eingebackene Salz hervorhebt und die Süße in den Hintergrund verbannt. Leider verwandelt sich die Krume zwischen den Zähnen in eine Kaugummimasse, die Moser obendrein als ganz leicht muffig empfand.

Bei Aldis „Goldähren Sandwich-Toast“ gesellen sich fluffige Stellen zu verhärteten und unterstreichen den leichten Graubrot-Charakter, der beinahe zu einem „Thema verfehlt“ geführt hätte. Das galt dann für den einzigen Bio-Vertreter im Test. „Rewe Bio Sandwich Weizenvollkornbrot“ ist fest und trocken, zudem mit dem für das Genre typischen Körnerbiss versehen. Rohrzucker gibt ihm malzige und nussige Züge, während das Salz förmlich auf der Zunge liegen bleibt. Doch woher der Fehlton wie von Silage stammte, der Sommelière Sina Holley in die Nase stach, vermochte niemand zu ergründen.

Der schmale, dünne Fladen von „Panificio Italiano Veritas“ aus München, dessen Längsformat zu verstehen gibt, dass er nicht ins Toastgerät gehört, wartete ebenfalls mit einem irritierenden Duft auf (bei Lindenberg in der Charlottenburger Morsestraße). Unwillkürlich fühlte sich die Runde nach Entfernen der Schutzhülle an Wandfarbe erinnert und es bedarf wahrlich keiner großen Fantasie, sich einen ovalen Eimer Alpina vorzustellen. Ebenfalls verblüfft waren die Tester von seiner unausgebackenen Art.

Panificio lässt sich fast ausrollen wie Teig, und wenn man das getan hat, kehrt er nicht mehr in die Ausgangsform zurück wie der Wonderbread-Typ aus den Vereinigten Staaten. „Weniger Alpina“, sagte Moser, nachdem er seine Nüstern tief im Teig von „Roberto Essenza“ von Mitte Meer in der Kantstraße gesenkt hatte. Dieses ebenfalls im Querformat gebackene und von der Rinde befreite Ultraweißbrot scheint noch mehr Öl und Zucker zu enthalten als alle Konkurrenten. Platt gedrückt wird daraus im Nu ein Lasagne-Blatt. Wer keine Nudeln durch Verdichtung herstellen möchte, wird vom einschlägigen Produkt des Discounters Penny nicht unbedingt enttäuscht. Das feinporige „Mike Mitchell’s American Sandwich“ errang einen dritten Platz (der zweite wurde gar nicht erst vergeben), weil der Sommelier gnädig urteilte: „In der Mitte gelungen, zum Rand hin weniger gelungen.“

Das schneeweiße „Harry Sammy’s Super Sandwich“ entfaltet süße Noten und ist darin für einen Moment der Streuselschnecke nicht ganz unähnlich. Doch dann stellt das fein austarierte Salz eine Beziehung her zu leichter Hefe und frischem Mehlgeschmack, beide allerdings nur im Hintergrund wirkend. Die absichtsvolle Zurücknahme von Geschmack – gerade auch der Röstnoten –, die den Testsieger Samy’s beinahe zu einem Brot ohne Eigenschaften macht, deutet bereits sein schwammiger heller Körper an. Er wird lediglich von einem Anflug von Kruste begrenzt. Man sollte Samy’s eher mit Nudeln vergleichen als mit Backwerk, denn wie eine gute Pasta überwiegt doch der dienende Charakter. Gerade damit, dass sie nicht weiter stören will, dürfte ein gewisser Grad von Perfektion erreicht sein.

„Weinschule Berlin“, Mitte, Inselstraße 8A 10179 Berlin, Telefon 234 68 47, www.weinseminar.de. Montag, Mittwoch und Freitag 11 bis 16 Uhr

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