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Berlin: Bürgerdienst im Akkord

Langes Warten, schlechter Service? Unter den Problemen der Verwaltung leiden auch die Mitarbeiter.

Von Fatina Keilani

Das Bürgeramt im Rathaus Schöneberg. Am gestrigen Donnerstag öffnete es um 11 Uhr; um 11.30 Uhr meldete die Anzeigetafel 107 Wartende. Eine Sachbearbeiterin hat noch keine Kundschaft und reagiert freundlich auf Ansprache, obwohl sie offiziell nichts sagen darf. „Dienstag und Donnerstag sind die Großkampftage hier“, sagt sie. „Diese Woche ist die erste, die etwas ruhiger ist.“ Ruhiger? Da draußen sitzen doch über 100 Leute? „Ja, aber Sie ahnen ja nicht, was kurz vor den Ferien hier los war. Die Sommerferien sind wie Weihnachten: Die kommen immer ganz plötzlich“, sagt sie und kann sogar noch drüber lachen.

Nein, mehr Personal habe man auch zu Stoßzeiten nicht. Von den 20 Sachbearbeiterplätzen seien in der Regel sechs besetzt, außerdem schleppe man seit etwa anderthalb Jahren fünf dauerkranke Mitarbeiter durch. Für heute rechne sie damit, bis zu anderthalb Stunden nach Amtsschließung noch hier zu sitzen und Nummern abzuarbeiten.

Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg hat aus dem Notstand Konsequenzen gezogen, rigoroser als andere: Ab August werden nur noch Terminkunden bedient. Für Notfälle gibt es Ausnahmen. „Ihre Zeit ist uns kostbar“, wirbt der Bezirk für sein neues Modell. Er bietet einen Service an, den viele gern annehmen: die Benachrichtigung per SMS, etwa eine halbe Stunde bevor man dran ist – künftig überflüssig.

Dass man in Tempelhof-Schöneberg bald nur noch mit Termin drankommt, dürfte sich auf umliegende Bezirke auswirken, denn jeder Berliner kann jede Dienstleistung in jedem Bürgeramt bekommen. Wer als Schöneberger ohne Termin einen neuen Pass braucht, der kann genauso gut nach Kreuzberg gehen. „Das passiert ja auch jetzt schon“, bestätigt Petra Möller, die Leiterin des Bürgeramts an der Yorckstraße. Sogar aus Spandau kämen sie, wenn dort wegen Überfüllung mal wieder keine Wartenummern mehr ausgegeben würden.

„51 Wartende“ meldet um 12.20 Uhr der Bildschirm im Warteraum fast direkt vor Möllers Büro. Und was sagt sie zu der Studie von „Focus Money“, nach der die Berliner Verwaltung bundesweit die schlechteste ist? „Die Jacke ziehe ich mir nicht an. Bei uns läuft es gut. Auch in den anderen Bürgerämtern wird fleißig gearbeitet.“ Und was man auch sehen müsse: Es fehle dramatisch an Nachwuchs. „Der Altersschnitt des Personals spielt eine große Rolle“, sagt Möller. Wer lange in einem Bürgeramt arbeite, sei nach ein paar Jahren am Ende seiner Kräfte: „Die nervliche Belastung ist sehr hoch.“ Man müsse damit umgehen, dass Leute die Tür aufrissen und etwas in den Raum hineinriefen und dann eine Antwort erwarteten. Dennoch sei in ihrem Amt der Krankenstand im normalen Bereich, von den 17 Plätzen sind heute 13 besetzt. Sehr engagiert und willig seien die Auszubildenden, zu gern würden sie die Arbeit im Bürgeramt übernehmen – „aber sie werden nicht eingestellt“, beklagt Möller.

Tempelhof-Schöneberg hat die strikteste Lösung gewählt, aber auch andere Bezirke verändern ihre Abläufe. Mitte bedient ab August nur montags noch Kunden ohne Termin, Kreuzberg an bestimmten Tagen nur welche mit Termin. In den meisten Bezirken geht weiterhin beides, wobei die steigende Zahl der Terminkunden dazu führt, dass jene ohne Termin noch länger warten müssen.

„Wir dürfen pro Fall zehn Minuten brauchen“, schildert eine Sachbearbeiterin. „Wenn aber mal eine Unstimmigkeit geklärt werden muss, können daraus schnell 45 Minuten werden.“ Das hole man den ganzen Tag nicht wieder auf.

Einen Trost hält Kristian Schiemann parat, Amtsleiter der Bürgerdienste in Neukölln: „Es kommen immer alle dran“, sagt er. Wer eine Nummer habe, der werde bedient, auch wenn das Amt offiziell schon zu ist. Und in diesem Sommer sei es trotz der Kinderpässe immer noch nicht so schlimm wie im vergangenen Jahr. Fatina Keilani

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