zum Hauptinhalt

Berlin: Buh-Rufe für Gregor Gysi und 43 Rosen für Petra Pau

Die Enttäuschung am Wahlabend war bei der PDS groß / Siegreiche Direktkandidatinnen kündigen „Frauen-AG“ im Bundestag an

Der Ärger und die Enttäuschung der Berliner PDS-Anhänger entladen sich, als Gregor Gysi in der Treptower Arena auf die Bühne tritt. Während manche der rund 2000 Gäste ihm applaudieren, sind mindestens ebenso laut Buh-Rufe und Pfiffe zu hören. „Die bittere Wahlniederlage trifft mich persönlich hart“, sagt Gysi, die Pfiffe im Saal werden lauter. „Ich bin mir über meinen Anteil am Wahlergebnis im Klaren.“ Applaus von allen Seiten für Gysis Eingeständnis.

Aber dann gelingt es dem erst vor wenigen Wochen überraschend vom Amt des Berliner Wirtschaftsenators zurückgetretenen PDS-Mann, den Ärger über seinen Rückzug aus der Politik in Kampfeslaune zu verwandeln. „Wir müssen uns selbst am Schopf herausziehen, verfallt nicht in Resignation, sondern kämpft!“ Und als er dann die Parteibasis auffordert, „wir müssen jetzt vier Jahre lang hart arbeiten“, da sind keine Buh-Rufe, sondern nur noch kräftiger Beifall zu hören.

Dennoch macht an diesem Abend niemand von Gysis Parteifreunden einen Hehl daraus, dass man die Schuld für die Schlappe vor allem bei ihm sieht. Harald Wolf, Gysis Nachfolger als Wirtschaftssenator, sagt am Rande der Wahlparty: „Man kann zwar nicht alles auf ihn schieben, aber vor allem in Berlin dürfte unser Einbruch an Gysi liegen.“ Wolf spart aber auch nicht mit Selbstkritik: „In Berlin gab es sehr hohe Erwartungen an die PDS, die wir in einem halben Jahr leider nicht einlösen konnten.“

Die beiden PDS-Wahlsiegerinnen des Abends in Hellersdorf-Marzahn und Lichtenberg-Hohenschönhausen, Petra Pau und Gesine Lötzsch, präsentieren sich ihren Anhängern gleichwohl kämpferisch. „Wir werden als Zwei-Frauen-AG im Bundestag dafür sorgen, dass keiner an der PDS vorbeikommt“, ruft Petra Pau in den Saal. Sie fordert ihre Parteifreunde auf, sich künftig stärker auch außerparlamentarisch für die Ziele ihrer Partei einzusetzen. „Wir hatten uns den Wahlabend eigentlich anders vorgestellt“, sagt Gesine Lötzsch. „Aber wir werden den Kopf nicht in den Sand stecken.“

Der im Wahlkreis Treptow-Köpenick unterlegene PDS-Direktkandidat Ernst Welters kommt mit enttäuschtem Gesicht und wird von einer Anhängerin flugs mit Blumen getröstet. Dann fordert er als Konsequenz aus der Wahlschlappe ein Umdenken der PDS im Abgeordnetenhaus: „Unsere Regierungspolitik in Berlin muss schärfere Konturen bekommen.“ Die ebenfalls unterlegene Direktkandidatin von Pankow, Sandra Brunner, tritt dagegen recht selbstbeherrscht auf. „Ich hatte schon in der Endphase des Wahlkampfes gemerkt, dass die Stimmung zugunsten von rot-grün gekippt ist.“ Deshalb sei es für sie kein Schock mehr.

Im Wahlkreis Hellersdorf-Marzahn, den Petra Pau gegen die SPD gewann, ist die Stimmung gleichfalls gedämpft. Nur einmal johlt und klatscht die Basis an diesem Abend ganz kurz, als Petra Paus wahrscheinlicher Sieg verkündet wird. Im „Kulturgut Marzahn“ wollte der PDS-Bezirksverband die Wahl feiern – vielleicht hundert Genossen, junge und alte, sind da und schütteln die Köpfe, wenn die Fernseh-Leute die Fünf-Prozent-Hürde zur Rede bringen.

Klar haben sie mit fünf Prozent der Zweitstimmen gerechnet, manche haben auch auf sechs oder sieben gewettet. Nun ist dies aber die erste PDS-Wahlkampf-Party, auf der man keinen Sieg feiern kann und so ist auch nicht irre viel los im „Kulturgut“. Man wertet aus. „Der Gysi war’s“, sagen die einen, „der mit seinem Rücktritt“. „Die Regierungsbeteiligung in Berlin“, machen andere verantwortlich, „wo kein Geld ist, kann man keine richtige Politik machen.“

Hinten in der Ecke steht ein Blumenstrauß auf dem Tisch. 43 rote Rosen, der Wahlkampfmanager von Petra Pau hat sie besorgt. 43 Rosen sind es, weil Gregor Gysi damals, 1998, 43 Prozent der Erststimmen in Hellersdorf-Marzahn geholt hat. Dass Frau Pau so viele auch schaffen würde, hat ihr Manager nicht wirklich erwartet. Hauptsache, sie macht’s. Wenigstens sie.

Schlechte Stimmung auch in Treptow-Köpenick. Dort verfehlt die PDS ihr erhofftes Direktmandat. Manche Sozialisten sind extra zur Stimmenauszählung in die Salvador-Allende-Oberschule gekommen, weil sie den negativen Prognosen nicht trauten. Verärgert registrieren sie nun, wie der Stapel mit den SPD-Kreuzen wächst und wächst – und ihr Wahlkreiskandidat Ernst Welters gegen den langjährigen Bundestagsmandats-Inhaber Siegfried Scheffler (SPD) ins Hintertreffen gerät. Kurz vor 19 Uhr wissen sie bescheid: Scheffler erhielt im Wahllokal des Stimmbezirks 607 genau zehn Stimmen mehr als sein PDS-Konkurrent.lvt/dae/bey

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false