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Berlin: BVG sieht nur bei einer anderen Verkehrspolitik Spielraum für Tarifsenkungen

Billigere Fahrscheine für Fahrten mit Bahnen und Bussen sind nach Ansicht der BVG nur möglich, wenn sich auch die Verkehrspolitik ändert und sie dem öffentlichen Nahverkehr den Vorrang einräumt. Zur Zeit befindet sich die BVG zusammen mit der S-Bahn GmbH auf dem anderen Weg: Gestern beschloss der Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) auf Antrag der Verkehrsbetriebe die nächste Preiserhöhung (siehe Kasten).

Billigere Fahrscheine für Fahrten mit Bahnen und Bussen sind nach Ansicht der BVG nur möglich, wenn sich auch die Verkehrspolitik ändert und sie dem öffentlichen Nahverkehr den Vorrang einräumt. Zur Zeit befindet sich die BVG zusammen mit der S-Bahn GmbH auf dem anderen Weg: Gestern beschloss der Aufsichtsrat des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB) auf Antrag der Verkehrsbetriebe die nächste Preiserhöhung (siehe Kasten).

BVG-Chef Rüdiger vorm Walde verteidigte gestern die Position der BVG, die auch für die nächsten Jahre "sozialverträgliche" Tariferhöhungen vorsieht. An dieser Haltung war auch Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) gescheitert, der gefordert hatte, Fahrscheine für Stammkunden billiger zu machen.

Preissenkungen allein würden nicht zwangsläufig zu mehr Fahrgästen führen, argumentiert die BVG. Damit steht sie im Gegensatz zu den Grünen, deren verkehrspolitischer Sprecher Michael Cramer davon überzeugt ist, dass günstigere Tarife mehr Fahrgäste in Bahnen und Busse locken würden und dann die Einnahmen sogar stiegen.

In Berlin war 1989 der damalige rot-grüne Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper diesen Weg gegangen. Die Monatskarte für (West-) Berlin, die bereits einmal 155 Mark gekostet hatte, war nach einer Preissenkung zuvor noch einmal auf 65 Mark reduziert worden. Gleichzeitig ließ die BVG auf allen Buslinien die Großen Gelben mindestens alle zehn Minuten fahren. Deshalb wurden auch Fahrer neu eingestellt. Nach Angaben der BVG fehlten danach jedoch 200 Millionen Mark in der Kasse. Das Experiment nach Freiburger Vorbild wurde bereits einen Monat später durch das Öffnen der Mauer gestoppt. Die Bahnen und Busse waren die nächsten Wochen rappelvoll - und dabei fuhren die Ost-Berliner im Westteil der Stadt gratis. Seither sind die Tarife wieder regelmäßig gestiegen.

Die Monatskarte fürs Stadtgebiet soll in Zukunft als Premiumkarte 114 Mark kosten - rund 75 Prozent mehr als 1989. Dafür sei das Tarifgebiet durch die Vereinigung der Stadt aber auch wesentlich größer geworden, verteidigt die BVG die Steigerung.

Freiburg sei es zwar gelungen, Anfang der 80er Jahre durch drastische Preissenkungen die Zahl der Fahrgäste überproportional zu steigern, und auch die Einnahmen kletterten in die Höhe. Einen Vergleich läßt die BVG hier aber nicht gelten. Freiburg habe gleichzeitig konsequent auf den Ausbau des Straßenbahnnetzes gesetzt und die Innenstadt praktisch autofrei gemacht. In Berlin dagegen gibt es nur zwei Kerngebiete im Zentrum, in denen das Parken gebührenpflichtig ist. Vorfahrt für Bahnen und Busse will erst der jetzige Verkehrssenator Peter Strieder (SPD) durchsetzen, während sein Vorgänger Jürgen Klemann (CDU) hier gebremst hat. Diese besseren Rahmenbedingungen für den öffentlichen Nahverkehr sind nach Ansicht der BVG aber die Voraussetzung für Preissenkungen.

Den radikalen Weg schlug 1991 der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) ein, der mit dem "Ticket 2000" den Preis der Monatskarten kräftig nach unten drückte. Die Zahl der Fahrgäste nahm dadurch um fast 30 Prozent zu. Ob es auch wirtschaftlich ein Erfolg war, ist umstritten. Nach Angaben der BVG sind danach beim VRR die Einnahmen zurückgegangen; der Verbund selbst sagt, nur im ersten Jahr habe es einen Rückgang gegeben. Danach sei wieder das alte Niveau erreicht worden.

Inzwischen wurden die Preise wieder mehrfach erhöht, trotzdem stieg die Zahl der Fahrgäste weiter, wenn auch in kleineren Schritten. Damit habe sich der vorübergehende "Dumpingpreis" gelohnt, sagte VRR-Sprecherin Barbara Bungard. Nur so habe man mehr Fahrgäste zum Umsteigen bewegen können, die zu den alten Preisen dazu nicht bereit gewesen wären. "Und dann haben sie die Vorteile des Nahverkehrs erkannt und sind dabei geblieben".

Ideen, mit anderen Tarifen neue Kunden zu gewinnen, gibt es auch bei der BVG. Vorm Walde denkt dabei an Familienkarten oder attraktive Angebote für den Freizeitverkehr. Vielleicht können die Berliner demnächst den Preis auch selbst bestimmen. Die BVG prüft ein Modell, bei dem der Preis um so billiger wird, je mehr Fahrscheinkäufer es gibt. Die Experten nennen dies "Power-Pricing". Damit würde die BVG einen bestimmten Umsatz halten können, den sie sich selbst vorgibt. Im Internet-Handel gibt es solche Verfahren bereits. Eins ist nämlich auch für den BVG-Chef klar: "Nur mit Preiserhöhungen allein kommen wir nicht weiter."

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