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Berlin: Casanovas schöne Berlinerin

Das Stellenangebot entdeckte sie zufällig im Internet. Jetzt wird Alicia Emmi Berg Star der neuen Friedrichstadtpalast-Revue

Noch kennt sie keiner, wenn sie mit der U-Bahn von Tempelhof zur Arbeit in die Friedrichstraße fährt. Dort allerdings schwärmt man schon von ihr. Ein Naturtalent sei sie, ist man im Friedrichstadtpalast von ihr begeistert.

Alicia Emmi Berg sitzt gerade in einer Ecke der Probenbühne und strickt seelenruhig an einem langem Schal. Damit füllt sie ihre Arbeitspausen. Viele sind es nicht, denn mit dem Naturtalent ist nicht ihre Strickkunst gemeint, sondern ihre Stimme und ihre Bühnenpräsenz.

Beides stellt Alicia Emmi Berg am 3.September erstmals im Friedrichstadtpalast vor – dann ist Premiere von „Casanova“. So heißt die neue Revue, die sich Roland Welke und Jürgen Naß ausgedacht haben, der auch Regie führt. Um Giacomo Casanova rankt sich die Geschichte und vor allem um seine Geliebte(n). 122 Liebschaften hat der Venezianer in seinen Memoiren verewigt, in denen er aber nur bis zu seinem 44. Lebensjahr Auskunft über sich gibt.

„Casanovas“ Berliner Bühnen-Geliebte gibt sogar nur bis zu ihrem 23. Lebenjahr Auskunft über sich – mehr hat sie noch nicht aufzuweisen. Die Verpflichtung als Hauptdarstellerin ist ihre erste große Bühnenrolle überhaupt. „Ich habe an allen Ecken Glück gehabt“, sagt sie. Und muss jetzt, als künftiger Revuestar, nicht mal ihre Garderobe teilen. Hinter ihrem Schminkstuhl bauscht sich an einer Stange eine pastellfarbene Tüllwolke, daneben glänzt ein türkisfarbenes Satinmieder – eines ihrer opulenten Kostüme in „Casanova“. Damit die dazu gehörende Perückenpracht auf das eigene üppige Haar passt, trägt sie das momentan mit unzähligen Zöpfchen eng an den hübschen Kopf gepresst.

Anderthalb Jahre hatte man im Friedrichstadtpalast nach der richtigen Bühnenpartnerin für „Casanova“ gesucht. Mehr als 122 hatten sich zum Casting gemeldet: Ausgebildete und musicalerfahrene Sängerinnen, Musikhochschul-Absolventinnen – und eben Alicia Emmi Berg.

Die gebürtige Lankwitzerin stand schon als Siebenjährige auf der Bühne – in „Oliver Twist“ im Theater des Westens. Dort sang ihre Mutter im Chor und übertrug ihre Sangesliebe auf die von ihr allein aufgezogene Tochter. Ob sie auch vom Vater Musisches geerbt hat, weiß Alicia nicht, den nigerianischen Studenten hat sie nie kennen gelernt. Dass sie Sängerin werden wollte, war ihr früh klar. Mit vier Jahren bekam sie Klavier- und Ballettunterricht, später sang sie im Chor der Paul-Klee-Grundschule und besuchte danach an der Dag-Hammarskjöld-Schule den Theaterkurs. Nach dem Realschulabschluss jobbte sie – verkaufte per Telefon Leuchtstoffröhren und bei McDonald’s. Und finanzierte sich davon zwei Jahre klassischen Gesangsunterricht.

Gesungen hat sie dann, wo es nur ging, als Backgroundsängerin und in Studioproduktionen und von Disko bis Rock’n’Roll. Seit vergangenem Winter ist sie freiberufliche Sängerin – und fand bei der Internetsuche nach einem Gesangsjob den Castingaufruf für „Casanova“. Hemmung, dafür etwa nicht genügend ausgebildet zu sein, hat die selbstbewusste junge Frau nicht. Sie habe dafür Lebensschule, und bei ihren musikalischen Jobs quer Beet habe sie „super viel gelernt“, sagt sie, „mehr, als manche auf einem Papier vorweisen können“.

In den Kopf gestiegen ist ihr die einmalige Bühnenchance bislang nicht. Ihre Gage will sie sparen , sich für alle Fälle ein finanzielles Polster zulegen, um immer ihre Wohnung inTempelhof bezahlen zu können. Vielleicht auch ein neues Auto, ihren 15 Jahre alten Opel Corsa hat sie gerade abgemeldet. Ansonsten sei sie eher ein Stubenhocker – gucke fern und stricke viel. Für die Zukunft wünscht sie sich nur eines: Sie will singen. Das mache sie glücklich, „alles andere ist mir egal“.

15 Monate wird sie nun in Europas größtem Revuetheater auf der Bühne stehen – ohne Zweitbesetzung. Beim Casting hat sie bereits Stehvermögen bewiesen. Sie musste singen und dabei 60 Meter laufen. „Da sterben viele vor Angst“, sagt Palast-Sprecher Günter Strohbach. Nicht so Alica Emmi Berg – sie bekam eine große Rolle.

„Casanova“, ab 4. September im Friedrichstadtpalast, Kartentel. 23 26 23 26

Heidemarie Mazuhn

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