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Klotzen nicht kleckern. Der Senat wünscht den Bau von 20.000 Wohnungen jedes Jahr.

© Wolfgang Kumm/dpa

Chefinnen der Berliner Wohnungs- und Bauwirtschaft: Für einen Mietenstopp ist „kein weiterer Spielraum“

Wer schneller bauen will, braucht BBU-Chefin Kern und FG-Bau-Chefin Schreiner an seiner Seite. Sie sagen, woran Berlin scheitert und was der Senat tun könnte.

Die in Wismar geborene Volljuristin Manja Schreiner leitet seit 2018 den Unternehmensverband Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg. Seit 2019 ist sie zudem stellvertretende Vorsitzende der Berliner CDU.

Maren Kern war nach dem Doppelstudium der Rechtswissenschaft und Architektur als Rechtsanwältin tätig. Seit 2009 ist sie Vorständin beim BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sowie Mitglied in diversen Gremien. Ein Interview mit Berlins Spitzenvertreterinnen der Wohnungswirtschaft und des Baugewerbes über Kosten des Klimaschutzes, Probleme mit Ämtern und steigende Mieten.

Bausenator Geisel hat neulich erklärt, die Wohnungsbranche sei offen für ein Mietenmoratorium. Tatsächlich, Frau Kern?
Maren Kern: Ich verstehe die Zielsetzung. Unsere Mitgliedsunternehmen haben mit durchschnittlich 6,20 Euro je Quadratmeter aber schon sehr niedrige Mieten. Und davon müssen die notwendigen Investitionen in Neubau und Sanierung finanziert werden. Da muss schon genau gerechnet werden. Genossenschaften und kirchliche Unternehmen haben eh eigene Auflagen, die landeseigenen Firmen Kooperationsvereinbarungen mit dem Senat. Vonovia sowie Deutsche Wohnen haben sich selbst zu Mäßigung verpflichtet. Da sehe ich keinen großartigen weiteren Spielraum für Beschränkungen. Zumal der Anstieg der Baupreise zu einer weiteren Einschränkung von Spielraum führt.

Wie sehen die bauausführenden Firmen das, Frau Schreiner?
Manja Schreiner:Wir fürchten uns davor, dass es so kommen könnte. Denn die mittelbare Folge eines Mietenmoratoriums wäre, dass die Wohnungsbaugesellschaften weniger Geld im Säckel haben und deren Motivation sinkt, Neubauten und Sanierungen in Auftrag zu geben und das vor dem Hintergrund steigender Baupreise.

Von den steigenden Baupreisen profitieren Sie nicht?
Schreiner: Nein, die Gewinnspannen beim Bauen sind sehr niedrig, liegen zwischen zwei und drei Prozent, maximal fünf. Wenn der Materialpreis steigt, muss der Angebotspreis höher sein. Sonst ist ein Bauvorhaben nicht seriös kalkuliert.

Der Runde Tisch und ein Bündnis für Neubau sollen die Probleme lösen. Das erste Treffen vermittelte keine Aufbruchstimmung – oder doch?
Kern: Der Auftakt war gut. Der eindeutige Wille war bei Frau Giffey und Herrn Geisel erkennbar, Neubau jetzt wirklich zur Chefinnensache zu machen und die Verfahren zu beschleunigen. Das weicht ab von dem, was wir in Vorjahren erlebt haben, wo es allzu oft bei der Beschreibung von Problemen blieb. Die geplante Senatskommission Neubau ist dazu geeignet, Lösungen herbeizuführen, zumal wenn sie im Monatsturnus zusammenkommt und Entscheidungen trifft. Das erinnert mich an das, was wir in Hamburg unter Leitung des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz gesehen haben.

Manja Schreiner, Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau.
Manja Schreiner, Geschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau.

© HGF/Siegfried Purschke

Schreiner: Ich bin froh, dass sich Frau Giffey mit ihren Neubauzielen durchgesetzt hat. Wir hatten viele Teilnehmer, 25 und sehr viele Protagonisten. Deshalb ging es im ersten Aufschlag nicht gleich an die Substanz.

Aber nicht einmal die vorbereitete Erklärung kam zustande, warum?
Kern: Wir als Wohnungswirtschaft mit den landeseigenen, privaten, genossenschaftlichen und kirchlichen Unternehmen sowie der BfW hätten der Erklärung so schon zustimmen können. Aber diese war relativ kurzfristig herumgeschickt worden und bei einigen Teilnehmern der Runde gab es Ergänzungsbedarf. Das ist normal.

Ist das Ziel, jedes Jahr 20.000 Wohnungen zu bauen, realistisch?
Das ist ambitioniert, aber wenn die Weichenstellungen getroffen werden und Beschleunigung sowie Lösungen zustande kommen, ist es möglich. Wir werden aber sicher noch nicht gleich im ersten Jahr die 20.000 erreichen.

Sind die Kapazitäten dafür in der Bauwirtschaft da, Frau Schreiner?
Ja. Es hakt aber an der Planbarkeit. Wir haben über 2000 Bauunternehmen in Berlin und nochmal so viele in Brandenburg. Viele wenden sich ab von Berlin. Die Planungsverfahren sind einfach zu lang. Man kann nicht absehen, wann ein Auftrag erteilt wird. Und wenn es gelingt, dann dauert es je nach Bezirk zwischen acht Wochen und 1,5 Jahre bis die Baugenehmigung nach Straßenrecht kommt, die die Unternehmen für die Einrichtung der Baustelle benötigen. In der Zeit sind die Firmen blockiert, weil sie keine weiteren großen Projekte annehmen können. Verheerend wird es bei Großbaustellen, wenn Ampelschaltungen und BVG-Linien umgestellt werden müssen. Da kann es auch mal vier Jahre dauern.

Wie kann man das ändern?
Schreiner: Wer einen vollständigen Antrag einreicht, sollte nicht länger als drei Monate warten, bevor eine Genehmigungsfiktion eintritt, der Antrag also als genehmigt gilt. Das ist vielleicht nicht bei jeder Großbaustelle möglich, wohl aber bei Projekten in den vielen Nebenstraßen Berlins, wo nur auf Fußgängerwege oder Parkbuchten eingegriffen werden muss.

Kern: Die Fiktion finde ich ausgesprochen wichtig, außerdem sollten Ausschreibungen von vergabefernen Regulierungen entschlackt werden, damit die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften noch schneller bauen können. Das haben wir vorgeschlagen, aber auch dieses Thema ist sanft entschlafen. Ein anderes Beispiel: das Fällen von Bäumen. Alles, was bis zum 1. März nicht gefällt ist, darf bis Ende September nicht gefällt werden. Das bedeutet Stillstand von sieben Monaten für Bauvorhaben. Hier müssten befristete Ausnahmeregelungen getroffen werden. Anfang der 1990er Jahre gab es im Zuge der Wiedervereinigung ja auch solche befristeten Sonderregelungen.

Maren Kern, Vorständin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen.
Maren Kern, Vorständin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen.

© promo

Das wird nicht viel helfen, wenn Personal in den Bauämtern fehlt…
Deshalb brauchen wir Fallmanager für Bauprojekte, die dem Verwaltungsmikado ein Ende setzen. Zur Zeit rennen Bauherren von einer Behörde zur nächsten und wieder zurück, selbst bei kleinen Projekten. Außerdem sind einige Bauämter so dünn besetzt, dass bei einem längeren Krankheitsfall eine ganze Abteilung nicht mehr arbeitsfähig ist. Das darf so nicht bleiben.

Schreiner: In einigen Bezirken ist überhaupt nur noch eine Person da, für alle dort auflaufenden Projekte. Es kann aber nicht länger dem Gusto des Bezirks überlassen sein, welche Stellen er besetzt. Alle Bauämter und auch die Straßen- und Grünflächenämter müssen ausreichend ausgestattet werden. Außerdem muss der Gesetzgeber sich zurückhalten und darf nicht immer wieder neue Gesetze etablieren, sondern sollte überflüssige Vorschriften abbauen.

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Haben Sie Beispiele?
Laut Landesbauordnung müssen 50 Prozent der neuen Wohnungen barrierefrei gebaut werden. Wenn wir das Neubauziel von 20.000 Wohnungen schaffen, erreichen wir mit dieser Bauordnung den Anteil barrierefreier Wohnungen in Berlin, die es gemäß Bevölkerungsstatistik braucht. Trotzdem planen die Koalitionäre eine Erhöhung der Barrierefreiheit auf 66 Prozent. Das kostet pro Stockwerk zwölf Prozent mehr.

Kern: Das ist ganz wichtig. Die diskutierte Novellierung der Bauordnung Berlins würde Mehrkosten verursachen, etwa durch Vorschriften zur Dach- und Fassadenbegrünung oder durch die erneute Ausweitung von Barrierefreiheit. Damit widerspricht sie der Vereinbarung im Koalitionsvertrag, wonach man kostengünstiger bauen will.

Kontroversen sind auch beim Naturschutz programmiert, oder?
Die Notwendigkeit zur Schaffung von Ausgleichsflächen hat viele Neubauten verhindert, weil es die in Berlin kaum noch gibt. Hier hat Herr Geisel signalisiert, mit Brandenburg ins Gespräch kommen zu wollen. Vielleicht könnte man einen Vorrat an Ausgleichsflächen jenseits der Landesgrenze schaffen für Neubauvorhaben in Berlin.

Der soziale Wohnungsbau steckt auch in der Sackgasse. Wie kann man die Förderung anpassen?
Kern: Indem die gestiegenen Baukosten bei der Berechnung der Förderfähigkeit berücksichtigt werden und der Flächenbedarf korrigiert wird. Es muss höhere Förderdarlehen geben und die Eingangsmieten müssen angehoben werden ebenso wie die Wohnflächen, die man mit einem WBS (Wohnberechtigungsschein, Anm.) oder ALG II (Arbeitslosengeld II) in Anspruch nehmen darf, um diesen Haushalten die Suche zu erleichtern. Außerdem wäre die Einführung einkommensorientierter Zuschüsse eine Möglichkeit.

Also eine grundlegende Reform, eine Subjektförderung?
Schreiner: Im Koalitionsvertrag ist von einer Subjektförderung nichts erwähnt. Darauf konnte man sich nicht einigen. An sich könnte man vielleicht in die Richtung gehen. Dass man eine Einkommensklasse einbezieht, die knapp oberhalb der Berechtigung zum Wohnberechtigungsschein liegt.

Kürzlich schockte Wirtschaftsminister Robert Habeck die Branche mit der Notbremsung bei der KfW-Förderung. Böser Fehler?
Kern: Es war skandalös, das so zu stoppen, ohne Aussicht darauf, wie es weitergeht. Das wird zu einer Delle bei der Modernisierung und Sanierung sowie beim Neubau führen. Der Vertrauensschaden ist enorm, vergleichbar mit dem Stopp der Anschlussförderung für den Sozialen Wohnungsbau in Berlin vor 15 Jahren. Davon spricht die Branche noch heute.

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Die hehren Ziele von Giffey und Geisel könnten auch am Klimaschutz scheitern, der fest verankert ist im Koalitionsvertrag, oder?
Kern: Der Zielkonflikt ist da und wird nicht so offen ausgesprochen. Wenn man CO2-Neutralität haben will, dann muss man mehr fördern, damit Wohnen bezahlbar bleibt. Klimaschutz kostet. Wenn die Preise für Holz um fast 30 Prozent steigen, werden wir das nicht einsparen können allein durch die Einführung von Typengenehmigungen oder die Senkung der Mehrwertsteuer. Das dämpft nur den Anstieg der Kosten, reduziert sie aber nicht. Über die Mieteinnahmen bekommen wir das nicht finanziert. Zumal auch bezahlbare Mieten im Koalitionsvertrag stehen. Insofern müssen Bund und Land auf dem Weg zur CO2-Neutralität in erheblichem Umfang finanziell helfen.

Schreiner: Die Produktion der Baustoffe ist CO2-intensiv. Hier ist ein Hebel für den Bau, indem mehr grüne Energie genutzt wird. Der Einsatz von Holz ist kein Allheilmittel. Holz ist ein toller natürlicher Baustoff, der CO2 bindet. Aber wir werden nicht alle Bauvorhaben mit Holz realisieren können. Die Ressource ist begrenzt ebenso wie die Kapazitäten der Zimmerer. Deshalb brauchen wir zum Beispiel auch den Einsatz von Recyclingbeton, um eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Auch das scheitert an den Regulierungen. Recyclingbeton wird im Moment nicht als vollwertiger Baustoff anerkannt, sondern wird wie Abfall behandelt. So lange wir solche Vorschriften haben, kriegen wir die Kreislaufwirtschaft nicht rund.

Abschließend noch ihr Herzenswunsch?
Kern: Dass wir vom früheren Konfrontationskurs wegkommen und jetzt mit allen Beteiligten kooperativ agieren. Dass Argumente ernst genommen werden. Und dass anerkannt wird, dass wir eine wachsende Stadt sind, die mit Veränderungen leben muss. Dafür bräuchte es eine breit angelegte Kampagne.

Schreiner: Wohnungsbau muss mehr zur Stadtentwicklung werden, die zum Beispiel auch die verkehrliche Entwicklung mitdenkt, den Anschluss an das Breitbandnetz, den Ausbau von Radwegen und auch die Autofahrer. Den U-Bahn-Bau müssen wir mit in den Blick nehmen. Wir brauchen bei Wohnungsbau und Stadtentwicklung wieder eine langfristige Sichtweise, über die Legislaturperiode hinaus.

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