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Berlin: Computer-Unterricht für Lehrer: "Müssen wir das jetzt mitschreiben?"

Die Berliner Lehrer haben einen milden Oberlehrer. Er ist nicht sauer, wenn sie zu spät zum Unterricht kommen.

Von David Ensikat

Die Berliner Lehrer haben einen milden Oberlehrer. Er ist nicht sauer, wenn sie zu spät zum Unterricht kommen. Ja, er freut sich, dass sie überhaupt kommen. Na ja, es sind Ferien, und wenn Lehrer sich jetzt selbst auf die Schulbank setzen, dann tun sie es freiwillig. Da ist es schon verständlich, wenn Schulsenator Klaus Böger sich an den Lehrerjargon seiner frühen Berufsjahre erinnert und es ihnen mit einem "Sehr lobenswert" dankt.

Am Mittwochabend hat Böger höchstpersönlich nachgeschaut, wie sich Berliner Lehrer bemühen, langsam das informationstechnologische Niveau ihrer Schüler zu erlangen. In einem privaten Schulungszentrum am Kurfürstendamm saßen acht Lehrerinnen und ein Lehrer vor Bildschirm und Tastatur und prägten sich schon mal den Namen des Kursleiters ein, den der - ganz Pädagoge - ordentlich an die Tafel geschrieben hatte.

Als Böger den Raum betrat, blieben alle sitzen und lauschten, was ihnen ihr Dienstherr so sagen würde. Nun, er lobte, und er sagte, dass er um die Arbeitsbelastung der Leute mit den langen Schulferien wisse ... da schob sich die neunte Lehrerin verlegen lächelnd an ihm vorbei und setzte sich nach ganz hinten. Böger sagte noch etwas über Anforderungen in modernen Zeiten, da tuschelte die Zuspätkommerin schon mit der Nachbarin - sie hatte ihre Stifte vergessen.

Als aber die Lehrer in den Schulbänken zu Wort kamen, wurde schnell klar, dass sie tatsächlich hochmotiviert sind, den Umgang mit den Rechenkisten zu erlernen. Eine Lehrerin aus Karlshorst, Simone Sauppe, sagte, in ihrer Grundschule gebe es schon seit Monaten einen Computerraum; der werde aber mangels fachkundiger Lehrer und notwendiger Programme nicht genutzt. Und Ulrich Scheiwe, Geschichtslehrer an einem Gymnasium in Kladow sagte, dass, wie die Dinge liegen, bei der Computerei das Kontrollmonopol der Lehrer durchaus mal an die Schüler übergeben werden könnte. Er habe schon seit zehn Jahren das Gefühl, dass die Lehrer hier mal geschult werden müssten.

Böger bestätigte ihm das, verwies auf die langsamen Mühlen der Politik und freute sich noch einmal über den Lernwillen der Pauker (diesmal: "hoch anerkennenswert"). Dann wünschte er ihnen noch viel Spaß im Unterricht und überließ sie für die folgenden vier Stunden ihrem Weiterbilder.

Für diese Herbstferien hat das CidS-Projekt (Computer in die Schulen) 400 kostenlose zwei- bis dreitägige Anfängerkurse angeboten. Da die Kapazitäten von CidS für die 43 Kurse nicht ausreichen, wurden zusätzlich private Schulungsunternehmen beauftragt. 100 000 Mark kostet die ganze Ferienaktion. Wie die Lehrer in die neue Welt geführt werden, war durchaus umstritten: Im Sommer hatte der Arbeitgeberpräsident Hundt gefordert, dass alle Lehrer verpflichtet werden müssten, sich in den Ferien am Computer fortzubilden. So weit wollte man nun doch nicht gehen. Immerhin: für die 400 Kursstellen haben sich etwa 500 Lehrer aus freien Stücken beworben

Der Seminarleiter begann am Mittwochabend, indem er die Damen und den Herrn Computerteile aufzählen ließ. Monitor, Festplatte und so weiter. Da meldete sich eine Lehrerin und fragte verunsichert: "Müssen wir das jetzt eigentlich mitschreiben?" Eine andere fragte nach, ob denn das, was sie hier lerne, auch daheim auf ihrem Rechner Gültigkeit hätte, "der hat Windows 92". "92?", wunderte sich der Referent. Logische Begründung der Lehrerin: "Ich habe den Computer geschenkt bekommen. Der ist acht Jahre alt, und da habe ich zurückgerechnet."

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