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Berlin: "Dahinter steckt der Kanzler"

Als eindeutige Spaltungsentscheidung, als Schlag ins Gesicht und Missachtung des Wahlergebnisses im Ostteil der Stadt empfinden die meisten Lichtenberger die vom SPD-Landesvorstand präferierte Ampelkoalition. "Wir fühlen uns übergangen, unsere Stimmen werden überhaupt nicht wahr genommen", erbost sich vor dem S-Bahnhof Karlshorst eine ältere Dame.

Als eindeutige Spaltungsentscheidung, als Schlag ins Gesicht und Missachtung des Wahlergebnisses im Ostteil der Stadt empfinden die meisten Lichtenberger die vom SPD-Landesvorstand präferierte Ampelkoalition. "Wir fühlen uns übergangen, unsere Stimmen werden überhaupt nicht wahr genommen", erbost sich vor dem S-Bahnhof Karlshorst eine ältere Dame. "Auch zehn Jahre nach der Wende leben wir in einer gespaltenen Stadt", sagt ihre Begleiterin.

Zum Thema Online Spezial: Berlin hat gewählt Beide hatten nach diesem eindeutigen Wählervotum mehr erwartet. Schließlich erreichte die PDS im Lichtenberger Wahlkreis 4, zu dem unter anderem das Gebiet beidseitig der Treskowallee gehört, stolze 52,4 Prozent. Diese Mehrheit könne nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden, macht auch ein junger CDU-Wähler deutlich. Natürlich sei er "kein Freund der Gysi-Partei", aber wenn die Bevölkerung es so wolle, müsse sich das auch in der Regierung wiederspiegeln. Viele Fußgänger, die über den kleinen Markt an der Treskowallee spazieren, kritisieren an der "Ampel" vor allem "das fehlende Bekenntnis zu einem Neubeginn", wie es Sabine Herkatz formuliert. "Das Dreiergespann hat doch keine Perspektive."

Für den Rentner Erich Winker sind die Argumente, mit denen die Berliner SPD-Spitze ihre Entscheidung begründete, einfach lächerlich. "Das hat wirklich nichts mit Demokratie zu tun, da war vielmehr der Druck des Kanzlers größer." Von dieser Regierung erwarte er vor allem auf sozialem Gebiet nichts Gutes. Schon in der Vergangenheit hätten diese Parteien einst gegebene Versprechen, speziell zur Rente, nicht eingehalten. Deshalb könne es nur eine Schlussfolgerung geben: "Zur Bundestagswahl im nächsten Jahr muss die SPD eine deutliche Antwort erhalten", sagt der Rentner. Und die kleine Gruppe, die sich mittlerweile um ihn versammelt hat, nickt zustimmend. "Das PDS-Wahlergebnis wird dann noch eindeutiger ausfallen."

Im Buchladen von Peter-Matthias Petras gibt es nur ein Thema. "Die Leute haben mir erzählt, wie enttäuscht sie sind und dass sie sich nicht ernst genommen fühlen", berichtet der Ladeninhaber. Er ist davon überzeugt, nun werde die Stadt noch mehr gespalten. Seiner Meinung nach habe die SPD in Berlin zu wenig Mut gehabt, mit der PDS gemeinsam zu regieren. "Das Ergebnis der Gespräche ist eigentlich eine bundespolitische Entscheidung, die Landespolitik wurde dabei völlig ignoriert", stellt auch der 22-jährige Student Mike Langner klar. Er erwartet eine instabile Regierung, die durch Profilierungsversuche der beiden kleinen Koalitionspartner gekennzeichnet sein wird.

Ein Immobilienmakler formuliert seine Gefühle so: "Der SPD ist ihre Macht halt mehr wert als soziale Gerechtigkeit." Sie erhalte dafür aber garantiert bei den nächsten Bundestagswahlen ihre Quittung. Ein jüngerer Mann spricht vom "Betrug am Wähler", ist aber gleichzeitig davon überzeugt, dass sich die Demokratischen Sozialisten "hervorragend in der Opposition schlagen". Nur wenige Bewohner der PDS-Hochburg Lichtenberg freuen sich über eine Ampel-Koalition. Horst Lehmann findet es sogar richtig, "dass der Schröder dahintersteckt". Für ihn ist die PDS keine regierungsfähige Partei.

Steffi Bey

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