zum Hauptinhalt

Berlin: Darf ein Ankläger für den „Klaps“ plädieren?

Nun mal halblang. Lassen wir das Kind im Bade – und natürlich ohne ihm einen „Klaps“ oder Schlimmeres zu verpassen.

Nun mal halblang. Lassen wir das Kind im Bade – und natürlich ohne ihm einen „Klaps“ oder Schlimmeres zu verpassen. Dass Kinder nicht zu schlagen sind, sollte zivilisatorische Grunderkenntnis sein; und wüsste man nicht bereits von der erzautoritären Gesinnung des Berliner Generalstaatsanwalts Hansjürgen Karge, so hätte man hier tatsächlich den schlagenden Beweis. Doch deshalb sollten wir uns Herrn Karge gegenüber nicht unsererseits zum Philister machen. Ja, ein Generalstaatsanwalt ist an die Buchstaben des Gesetzes gebunden. Und er darf nicht zu Straftaten aufrufen. Aber was hat er in diesem Fall gesagt? Er lasse sich einen Klaps „nicht verbieten“. Damit hat er nicht gesagt, er lasse sich einen Mord oder Bankraub nicht verbieten. Seit fünf Jahren erst können Eltern auch dafür bestraft werden, dass ihnen mal die Hand ausgerutscht ist. Obwohl das auch den liebevollsten Eltern gegen den besten Willen mal passieren mag – und hinterher tut es ihnen fürchterlich leid. In der Regel schmerzt sie ihr Gewissen ärger als die drohende Strafe. Da dürfen sie durchaus am Sinn der Strafbewehrung eines Klapses zweifeln. Und mehr hat auch Karge nicht getan. Er hat die Vorschrift nicht verletzt; er hat an ihrem Sinn gezweifelt. In einem durchaus minderschweren Fall. Ihm mag der Begriff der Großzügigkeit ja fremd sein. Wir sind da anderen Geistes.

Ein Klaps, was soll das sein? Ein Schlag auf den Hintern, eine Ohrfeige? Vielleicht etwas weniger als eine Tracht Prügel, auf jeden Fall mehr als ein freundliches Knuffen. Klar ist nur, was gemeint ist: Ein bisschen Gewalt darf bei der Erziehung von Kindern schon sein. Aber Gewalt ist weder ein geeignetes Mittel der Erziehung noch eine tolerable Umgangsform des menschlichen Miteinanders. „Jeder Klaps ist eine Demütigung“, schreibt die Erziehungswissenschaftlerin Alice Miller. Für sie ist es eine gesicherte Erkenntnis, „dass das, was wir dem kleinen Kind zufügen, im Guten wie im Schlechten, zu seinem späteren Verhaltensrepertoire gehören wird. Geschlagene Kinder lernen schlagen, gestrafte Kinder lernen strafen, belogene Kinder lernen lügen, beschützte lernen zu beschützen, respektierte lernen, Schwächere zu respektieren.“ Die rechtsstaatlich verfasste Zivilgesellschaft gründet auf dem Gewaltmonopol des Staates, der zu gewährleisten hat, dass das Handeln seiner Bürger nicht von Gewalt bestimmt wird. Auf diese Sicherheitsgarantie des Staates haben auch Kinder einen Anspruch. Ein Generalstaatsanwalt, der den Klaps als Erziehungsmittel propagiert, redet prügelnden Eltern das Wort. Ein Strafverfolger, der Straftaten billigt, hat in der Rechtspflege nichts zu suchen. Er gehört in den Ruhestand versetzt. Und zwar sofort. Stephan Wiehler

Holger Wild

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false