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Berlin: Das Dorf der Weber

Friedrich II. schenkte den Siedlern in Nowawes viele Privilegien – doch später verarmten sie

Achtlos rauscht heute der Verkehr am Neuendorfer Anger vorbei. Nur wenige Autofahrer ahnen, dass hier einmal die Keimzelle von Babelsberg war. 1375 wurde im Landbuch Kaiser Karls IV. der Ort erstmals als Neuendorf erwähnt. Bauern und Fischer lebten dort – und so genannte Zeidler, die im Wald Bienenvölker bewirtschafteten.

Friedrich II., der Große, ließ in seiner Regierungszeit in unmittelbarer Nähe des Ortes ein Kolonistendorf für böhmische Weber errichten, die wegen ihres protestantischen Glaubens von der streng katholischen österreichischen Kaiserin Maria Theresia vertrieben wurden.

Der preußische König verhielt sich getreu seinem Motto: In meinem Land kann jeder nach seiner Facon selig werden, und dachte dabei auch an die Ansiedlung von Produktion und Gewerbe in der rückständigen Textilindustrie. Zwar gab es reichlich Schafe und somit Wolle in Preußen aber zu wenig Spinner und Weber, die das Rohmaterial verarbeiten konnten.

Der König stellte ein Gelände zur Verfügung, das heute von der Rudolf-Breitscheidstraße, Karl-Liebknecht- und der Karl-Gruhl-Straße umrahmt wird.

Es entstanden die ersten Kolonistenhäuser mit kleinen Gärten. Jeweils zwei Familien durften kostenlos darin wohnen. Außerdem waren die Neuansiedler von Steuern und dem Militärdienst befreit. Sie gaben dem Ort den Namen Neues Dorf, in ihrer Landessprache, „Nowa ves“. Den Neuendorfern ging der böhmische Name schwierig über die Zunge, sie sagten Nowawes – und dabei blieb es bis heute.

Die Siedlung wuchs in kürzester Zeit, so dass 1752 mit dem Bau der Kirche in der Dorfmitte begonnen wurde. Doch 100 Jahre nach ihrer Ansiedlung gerieten die Familien der Zuwanderer in Armut. Das lag vor allem an Verträgen, mit denen die Spinner und Weber an Textilunternehmer gebunden waren. Diese lieferten ihnen Wolle und Garn zu überhöhten Preisen, zahlten aber für die hergestellten Stoffe nur wenig.

Besserung kam erst durch den Regierungsrat August Wichgraf, der sich ab 1850 erfolgreich gegen diese Ausbeutung einsetzte. Er gründete eine Weberschule mit Musterwerkstatt und führte nach flämischem Vorbild zahlreiche technische Verbesserungen am Webstuhl ein, was zu einem Boom in der Seidenproduktion führte.

Neuendorf und Nowawes wuchsen zusammen und erhielten 1938 den gemeinsamen Namen Babelsberg. Weberplatz und Friedrichskirche bilden bis heute das Kernstück der Kolonie. Einige der Kolonistenhäuser blieben erhalten und sind ansehnlich renoviert worden. cps

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