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Die Fassade der „Kumi 13“ ist schon bestens saniert und innen wächst Gemeinschaft. Foto: ©kumi*13

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Gemeinsame Sache in Schöneberg: Das Hausprojekt Kumi13 betreibt Milieuschutz von unten

Im Norden Schönebergs soll das solidarische Hausprojekt Kumi13 ein Ankerplatz für die Nachbarschaft im Kiez werden. Der Hausverein konnte das Gebäude kaufen.

Wie eine kleine etwas verschlafene Insel steht das alte Haus an der Ecke in der Kurmärkischen Straße 13, reichlich Stuck an den Fassaden, ein herrschaftlicher Eingang, Marmorstufen und italienisch inspirierte Wandornamente im Treppenhaus. Der Hausverein „Kumi13 e.V.“ ist dabei, das von Neubauten umringte Gebäude im Schöneberger Norden peu à peu zu sanieren. Die neuen Eigentümer wollen eine Art Ankerplatz für die Nachbarschaft im Kiez schaffen.

Im vergangenen Jahr konnte der Verein mit Unterstützung durch das Mietshäuser Syndikat das 1875 gebaute Haus erwerben und sogleich im ersten Schritt die bröckelnde Fassade erneuern. Von Anfang an hatten die Mitglieder das Umfeld mit im Blick. „Wie können wir in den Kiez hinein wirken?“, fragte sich etwa Holger Lauinger, einer der Initiatoren. Für ihn stand fest: „Unser Projekt soll eine Einladung sein zum Mitmachen.“

Eine erste Kooperation ist bereits festgeklopft. Für drei Jahre wird das Nachbarschaftszentrum „Kurmark“ in die Gewerberäume ins Parterre einziehen. Es muss wegen eines Neubaus sein Domizil drei Häuser weiter vorübergehend verlassen. Im Anschluss soll eine vom Haus getragene FoodCoop einziehen und Bioprodukte aus Projekten der solidarischen Landwirtschaft in Brandenburg verkaufen.

Antonia Wagner, Geschäftsführerin des Kumi13-Vereins, hat noch viele andere Ideen für künftige Angebote: „Wir wollen uns mit den Akteuren vor Ort vernetzen, können vielleicht eine Schachgruppe, ein Mutter-Kind-Zentrum oder Workshops für Kunstinteressierte organisieren.“ Dafür bietet sich die 300 Quadratmeter große Halle auf dem Hof an, eine frühere Autowerkstatt.

Holger Lauinger geht einen Schritt weiter: „Wir wollen als stadtpolitischer Akteur auftreten, als Hoffnungsmacher für viele.“ Als Beispiel nennt er die Zusammenarbeit mit der Initiative „Olga“, die sich in der Kurfürstenstraße für Sexarbeiterinnen einsetzt. Bei „Olga“ haben Betroffene Bilder aus ihrem Lebensalltag zusammengetragen. Die Ausstellung „Photovoice“ soll nun im Rahmen der Freiwilligentage „Gemeinsame Sache“ gezeigt werden.

Das Mietshäuser Syndikat unterstützt Mieter beim Hauserwerb

Außerdem lädt der Verein am 13. September dazu ein, sich anhand von Schautafeln über die Geschichte des Hauses und des Kiezes zu informieren, die einst die „feinste Wohngegend in Berlin“ war. „Heute ist diese Gegend im Fokus der Investoren“, stellt Antonia Wagner nüchtern fest. Es sei deshalb ein großes Glück, dass die Kurmärkische Straße 13 nicht in die Hände von Immobiliengesellschaften gefallen sei. Möglich wurde dies durch das Mietshäuser Syndikat. Dieses bundesweit engagierte Netzwerk unterstützt Mietergemeinschaften beim Erwerb und der basisdemokratischen Selbstverwaltung von Wohnhäusern. So ist das nötige Eigenkapital von vier Millionen Euro für den Kauf und 1,7 Millionen Euro für die Modernisierung zustande gekommen.

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Für die insgesamt 40 Bewohner wurde eine Kaltmiete von 9,47 Euro pro Quadratmeter festgelegt. Zurzeit leben baustellenbedingt 17 Erwachsene und zehn Kinder im Haus, die Altersspanne reicht von 0 bis 68 Jahre. Viele Mitglieder der Hausgemeinschaft sind in der Kreativszene aktiv, arbeiten künstlerisch, als Architekten, Filmemacher oder Autoren. Weitere Interessenten können sich beim Verein melden. „Wir haben eine Warteliste“, berichtet Antonia Wagner.

In einzelnen Arbeitsgruppen versucht der Verein, Pflöcke für die Zeit nach der Sanierung zu setzen. Sichtbar sind bereits die ersten Spuren der Garten-AG. Im mit rötlichen Kacheln gepflasterten Hof stehen schöne Terrakottatöpfe mit Rosmarin und Kapuzinerkresse, die einen Hauch von Toskana nach Nord-Schöneberg ausstrahlen. Der lange Tisch in der Mitte eignet sich gut für Gesprächsrunden. Bei schlechtem Wetter steht ein Gemeinschaftsraum im ersten Obergeschoss, früher eine Arztpraxis, zur Verfügung.

Antonia Wagner ist optimistisch, was das „soziale Experiment“ in der Kurmärkischen Straße angeht: „Wir sind hier eine gute Mischung von Menschen, die aus der Enge der Kleinfamilie herauswollen. Wir leben solidarisch miteinander wie in einem kleinen Dorf, gemeinschaftlich und über die Generationen hinweg, und sind offen für ein Netzwerk im Kiez.“ Filmemacher Lauinger bringt es kurz gefasst auf diesen Nenner: „Kumi13, das ist Milieuschutz von unten.“

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