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Berlin: „Das ist wie im New York der Siebziger “

Ein Kurator über Berlin als Magnet für Künstler

Worin sehen Sie die Potenziale Berlins als Hauptstadt der Kunst?

Die Kunst-Hauptstädte wechseln immer wieder. Nach dem Krieg war es New York, dann Köln für Europa, schließlich London. Nach wie vor spielt die britische Kapitale eine Rolle, aber Berlin hat ihr gegenüber den Vorteil, dass es hier eine völlig neue Situation gibt. Dadurch entsteht eine gewisse Spannung, die auf junge Künstler und Galeristen anziehend wirkt.

Besteht da nicht die Gefahr, dass es eine zu große Konkurrenz gibt?

Nein, gerade diese Konzentration ist ein Beweis für die Attraktivität der Stadt. Wo sonst gibt es so viele interessante Galerien – nicht nur deutsche, sondern auch skandinavische, osteuropäische und amerikanische? Eine große Rolle spielt, dass hier nicht nur viele Künstler arbeiten, sondern es auch viele Akteure anderer Kultursparten gibt, aus Mode, Film oder Musik, die ein kreatives Klima schaffen, aus dem die Kunst schöpft. Ähnlich war es Anfang der Siebziger in New York, als viele europäische Künstler dorthin zogen, gefolgt von Sammlern und Kritikern. Dieses Phänomen, damals am West-Broadway in Downtown-Manhattan, erleben wir heute in Berlin beispielsweise an der Kochstraße oder der Zimmerstraße, wo viele Galerien sogar in den gleichen Häusern arbeiten.

Welche Rolle spielen in dem Zusammenhang die Institutionen, die Museen?

Da klafft erstaunlicherweise eine Lücke. Um sie zu füllen, wird dringend eine Kunsthalle benötigt, denn bislang zeigt keine Institution systematisch auf einem hohen Niveau, was in der Kunst passiert. Das betrifft nicht nur die neueste Kunst, sondern auch die klassischen Positionen. Derzeit findet in Hannover eine große Ausstellung von Wolfgang Tillmans statt, in München von Andreas Gursky und Dan Flavin, in Bregenz von Jeff Koons. Diese Ausstellungen machen um Berlin seltsamerweise einen großen Bogen. An diesem Defizit tragen die Institutionen der Stadt eine große Schuld.

Das Gespräch führte Nicola Kuhn.

Zdenek Felix (68) lebt als freier Kurator in Berlin. Er leitete von 1991 bis 2003 die Hamburger Deichtorhallen. 2004 zeigte er auf der Kunstmesse Art Forum die Ausstellung „Made in Berlin“.

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