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Berlin: Das Kaufhaus schmückt sich mit Stoff-Figuren - "Es lebe das Alter, die Vergänglichkeit und kleine Überraschungen"

Eine skurrile Gesellschaft lässt gegenwärtig sogar eilige Passanten vor den Schaufenstern des KaDeWe den Schritt verhalten. Da sieht man einen rotnasigen Mann in roter Uniform mit Goldlitze, dem weiße Mäuse auf dem Kopf und auf der Schulter herumtanzen.

Eine skurrile Gesellschaft lässt gegenwärtig sogar eilige Passanten vor den Schaufenstern des KaDeWe den Schritt verhalten. Da sieht man einen rotnasigen Mann in roter Uniform mit Goldlitze, dem weiße Mäuse auf dem Kopf und auf der Schulter herumtanzen. Im Arm Flaschen mit "geistigem" Elixier, das - zu viel und zu oft genossen - weiße Mäuse und rote Nasen zaubern kann. Auch eine grell geschminkte, mit Klunkern dick behängte Fuchsrothaarige gibt es in der Gesellschaft, einer anderen hängt lässig die Zigarette aus dem herzförmig gemalten Mund. Elegisch dagegen blickt eine ältere Dame unter ihrem Blumenhut in die vorweihnachtliche Hektik vor ihrem Schaufenster, im Arm ihren mit Spitzenrüschen und Goldhalsband geschmückten Hundeliebling. Oder jene, die so aussieht, als käme sie gerademang vom Berliner Presseball: Rosa Spitze spannt sich eng um die dralle Brust, als Kopfputz eine grüne Libelle und um den Hals einen weißen Fuchs, die dicken Finger rot lackiert.

Die irrwitzige Truppe wie aus dem Tollhaus ist aus Stoff - mit Nadel und Faden schuf Stefanie Alraune Siebert 61 lebensgroße Menschenfiguren, sogar die Dekoration bis hin zur Languste und einem Klavier ist textil. In den zehn Schaufenstern des Warenhauses wird das unter einem jeweiligen Titel präsentiert - "Kaffeeklatsch" etwa, oder "Tierfreunde", auch einer "Weinprobe", einem "Weihnachten im Varieté" und "Einer schönen Bescherung" kann man als Fenstergast beiwohnen.

Die gelernte Textildesignerin, Textilartistin nennt sich die Künstlerin aus Tübingen, gab ihren wundersamen "Freunden" auch Namen: eine Valerie Bullrich von Auersperg und Marille Pfefferminze nehmen am "Weihnachtsschmaus" teil, die "Menue-Modenschau" führt Aba Absinth mit Erdbeertortenhut und Mizzi Ferrari mit Lachsstola vor. Als deren Schöpferin Stefanie Siebert zum Empfang in Berlin ihre roten Wildlederstöckelschuhstiefelchen anziehen wollte, fand sie sie nicht. Bis ihr einfiel, dass sie diese Greta Finger-Wonderbeach "ausgeliehen" hatte - im "Kaffeeklatschfenster" die sechste Dame von links.

Mit ihren genähten "Alten" machte die Tübingerin schon in London, Kopenhagen und Paris Furore, nur eines macht sie nie - keine wird jemals "geliftet". Frei nach dem Motto der Textilartistin: "Es lebe das Alter, die Vergänglichkeit und die Zeit, die kleinen Überraschungen im Leben zu genießen". Die im Schaufenster ausgestellten kann man noch bis zum Ende des Jahrtausends genießen, die im KaDeWe verkauften auch im neuen.

Heidemarie Mazuhn

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