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Berlin: Das Magazin "Golem" wird erstmals in Berlin vorgestellt

Zum Eisbein nach dem Rezept ihrer Mutter hat sie es noch nicht gebracht. Doch seitdem Esther Dischereit sich mehr für ihr Jüdischsein interessiert, ertappt sie sich häufig dabei, wie sie Hackepeter kauft.

Zum Eisbein nach dem Rezept ihrer Mutter hat sie es noch nicht gebracht. Doch seitdem Esther Dischereit sich mehr für ihr Jüdischsein interessiert, ertappt sie sich häufig dabei, wie sie Hackepeter kauft. In Israel ist die Berliner Autorin noch nie gewesen und eigentlich weiß sie nur, dass sie es ist: jüdisch eben. Und sie verspricht, von dem Matzemehl, das sie einmal im Jahr kauft, Matzeklößchen zu machen. "Wenn nicht in diesem, dann im nächsten Jahr".

Um die Frage der jüdischen Identität im heutigen Europa, dem Europa nach der Shoa, drehen sich die Beiträge in dem Europäisch-jüdischen Magazin "Golem", dessen erste Ausgabe jetzt in Berlin vorgestellt wurde (zu beziehen per Telefax unter der Berliner Telefonnummer 39 73 13 71 oder im internet www.hagalil.com/golem ). Nicht der als Golem bezeichnete Narr gab der Vierteljahresschrift ihren Namen, sondern die ursprünglich hebräische Bedeutung des Wortes, nämlich etwas Entstehendes, im Prozess Befindliches.

Zwar wisse man nicht, was es eigentlich ist, das jüdische Europa, aber Michael Frajman vom "Golem" sieht es zur Zeit entstehen. So weist Diana Pinto aus Paris darauf hin, dass eine spezifisch europäisch-jüdische Identität genügend Substanz aufweist, "um sich heute als dritte Säule des Judentums neben Israel und Nordamerika zu behaupten". Weiter fragen die Autoren des "Golem", die von Odessa über Berlin bis nach London verstreut leben, was jüdische Kunst ist und welche Riten, Symbole und Werte für die heute meist säkularen europäischen Juden wichtig sind.

Shoshana Ronen, eine Israelin, die seit sieben Jahren in Polen lebt, hat mit ihrer in einer polnischen Tageszeitung erschienenen Polemik gegen die Rückkehr polnischer Juden zur Orthodoxie heftige Reaktionen ausgelöst. Der im "Golem" abgedruckte Text zeigt, wie tief der Graben zwischen säkularen und orthodoxen Juden in Israel ist. "Eine Entwicklung, die wir in Europa durch Toleranz und Offenheit gegenüber allen jüdischen Lebensformen vermeiden könnten", hofft Michael Frajman.

Die Situation in Deutschland ist natürlich ein spezifischer Fall. Ruth Fruchtmann aus Berlin bringt die Schizophrenie zur Sprache, mit der die im Land der Täter lebenden Juden heute noch ihre Identität zu verbergen suchen, ihren Namen ändern, aus Angst davor als "Judenschwein" beschimpft zu werden.

Esther Dischereit fordert daher: "Wir müssen nicht erklären warum, sondern dass wir Juden sind." Das Magazin "Golem" öffne nun die Sprache dazu.

Jan Kixmüller

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