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Berlin: Das schöne Fest endete mit einer Tragödie

Stürzendes Gerüst verletzt beim Karneval drei Gäste lebensgefährlich. Die Feier wird abgesagt, die Polizei ermittelt

ane Bemmer

und Matthias Oloew

Nach einem schweren Unglück am Sonntagabend wurde der achte Karneval der Kulturen in Kreuzberg vorzeitig abgebrochen. Heftige Gewitterböen hatten gegen 21 Uhr das Eingangstor zum Straßenfest Ecke Blücherstraße und Mehringdamm umstürzen lassen und drei Menschen lebensgefährlich verletzt. Die Polizei brach das Fest ab. Später teilten Veranstalter und Bezirksamt mit, am Pfingstmontag werde kein Straßenfest mehr stattfinden .

Den ganzen Sonntag über hatte die Sonne über Umzug und Straßenfest gestrahlt. Erst gegen 20.30 Uhr zogen von Westen schwarze Gewitterwolken herauf. Die Festbesucher flohen vor Sturmböen, die mit 100 Stundenkilometern Staub, Pappteller und Äste durch die Luft wirbelten. Am Eingangstor zum Straßenfest am Mehringdamm verfing sich der Wind in den Planen, die am fünf Meter hohen und zehn Meter breiten Eingangstor hingen. Dem Druck hielt die tonnenschwere Konstruktion nicht stand. Um 21.04 Uhr fiel sie Richtung Blücherstraße um und begrub drei Menschen unter sich. Eine 46-jährige Charlottenburgerin erlitt an Kopf und Lunge schwere Verletzungen. Ein Ehepaar aus Neukölln wurde ebenfalls getroffen. Der 29-jährige Mann ist an Lunge und Wirbelsäule verletzt, seine 23-jährige Frau am Kopf. Sanitäter und Rettungsärzte leisteten erste Hilfe. Bei der Feuerwehr ging der Notruf um 21.09 Uhr ein, sagt Feuerwehrchef Albrecht Broemme. Um 21.16 Uhr waren Rettungskräfte am Unglücksort und brachten die Verletzten ins Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Bis gestern Abend war ihr Zustand stabil, aber weiterhin ernst.

Zur Unglückszeit hätte der Festplatz bereits leer sein sollen. Denn die Veranstalter, die Werkstatt der Kulturen, hatten Unwetterwarnungen, so dass sie um 20.15 Uhr beschlossen, das Fest um 21 Uhr statt um Mitternacht zu beenden. Die Standbesitzer seien umgehend informiert worden, es habe Durchsagen für die rund 100000 Besucher gegeben. Das bestätigte Thomas Dulies, zuständiger Abschnittsleiter der Polizei. Viele Besucher hätten die Warnung ignoriert. Zu denen, die das Fest verlassen wollten, gehörte die 46-Jährige, die vom Gerüst getroffen wurde.

Laut Inforadio hatten Festbesucher bemerkt, dass die Stahlkonstruktion zu schwanken anfing und Beamte informiert, die in der Nähe waren. Bevor die aber reagierten, sei das Tor bereits umgefallen.

Nach dem Unglück schickte die Polizei die Besucher des Umzugs nach Hause. Später beschlossen die Veranstalter, den vierten Festtag abzusagen. „Wir möchten damit gegenüber den Betroffenen unser tiefes Bedauern zum Ausdruck bringen“, teilte Anett Szabó vom Karnevalsbüro am Montagabend mit. Ein nicht ganz so weit reichender Schritt, etwa die Bühnenprogramme abzusagen, den Händlern aber den Verkauf weiter zu erlauben, stand für die Veranstalter nicht zur Diskussion. Anett Szabó: „Für uns gehört beides – Musik und Verkauf – unmittelbar zusammen.“ Da entschieden sich die Veranstalter, das Fest ganz abzusagen.

Die Polizei untersucht derzeit das Stahlgerüst. Das Bezirksamt hat ein Gutachten in Auftrag gegeben. Geprüft wird laut Broemme unter anderem, ob die Gerüstbauer ordnungsgemäß gearbeitet haben. Laut Karnevalsbüro handelt es sich um eine „renommierte Berliner Firma“. Die Portale waren mit Planen und Pappen von Künstlern gestaltet und für diese Arbeit haben die Händler des Fests eine Abgabe gezahlt. Das ist Bestandteil der Verträge, die Händler und Veranstalter geschlossen haben.

Für viele Händler auf dem Straßenfest ist der abgesagte Pfingstmontag ein herber Schlag. Sie haben die Standmieten pauschal bezahlt, mancher hatte erst für Montag mit Gewinnen gerechnet. Carsten Lange, der mit seiner Cateringfirma Bier- und Cocktailausschank und Grill an den Blücherplatz gebracht hatte, nimmt es dennoch gelassen. Er hat ein Kühllager, und was er auf dem Fest nicht verkauft hat, soll es nun in der Kantine der Deutschen Telefonwerke geben. Das Fest war offiziell abgesagt worden, gefeiert wurde am Montag bis in den Abend trotzdem: Hunderte Gäste versammelten sich auf der Wiese des Blücherplatzes und hörten Trommelgruppen zu, aßen Gegrilltes und kauften Bier bei Schwarzhändlern.

Insgesamt galt am Sonntag von 21 bis 22.50 Uhr Ausnahmezustand. Knapp 70 Mal rückte die Feuerwehr aus, um herunter gefallene Äste oder Bauteile zu bergen.

Ari

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