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Berlin: Das Weite buchen

Verkehrsunternehmen krempeln Tarifsysteme immer gern um. Jetzt bahnt sich in Berlin wieder was an. Deshalb fragen wir im „Pro & Contra“: Soll die BVG den Fahrpreis nach der Entfernung berechnen?

Den idealen Tarif für Fahrten mit Bahnen und Bussen hat man bis heute nicht gefunden. Jetzt will die BVG einen neuen Anlauf starten: Weg vom starren Einheitstarif und hin zu einem entfernungsabhängigen Preis. Koppeln will die BVG dieses neue System, das ab 2006 eingeführt werden soll, mit einem elektronischen Ticket.

Bei den Tarifen wurde schon viel experimentiert. Ob Einheits- oder Zonentarife – alles hat es schon gegeben. Nach Kriegsende 1945 gab es dann für alle Verkehrsmittel der BVG einen Einheitspreis von 20 Pfennig, der im Ostteil der Stadt bis zur Wende gültig blieb. Die S-Bahn hatte bis zur Tarifeinheit nach der Wende eine Zoneneinteilung mit verschiedenen Preisstufen. Die BVG dagegen experimentierte weiter. Vorübergend waren so auch Fahrten mit dem Bus teurer als mit der Straßenbahn.

1987 sollte dann der große Wurf kommen. Die BVG wollte, gestützt auf teure Gutachten, West-Berlin in fünf Zonen einteilen. Je mehr Zonen durchfahren wurden, desto teuer wäre der Spaß geworden. Nach heftiger Kritik von fast allen Seiten gab die BVG ihr Vorhaben auf. Übrig blieb aber die neue Regelung beim Einzelfahrschein, der nun zwei Stunden galt und auch Hin- und Rückfahrten ermöglichte.

Einen neuen Anlauf machte dann 1991 die Bundesregierung, die Eigentümer der Reichsbahn und damit auch der S-Bahn im Ostteil der Stadt war. Sie wollte gestaffelte Preise, die abhängig von der zurückgelegten Entfernung sein sollten. Doch auch der Bund setzte sich nicht durch. Eingeführt wurde nur das Tarifsystem ABC – mit Einheitspreisen.

Die Argumente waren stets gleich: Der Einheitstarif sei nicht leistungsgerecht und auch nicht ergiebig genug für die Verkehrsbetriebe. Er führe dazu, dass kurze Strecken verhältnismäßig teuer, lange aber vergleichsweise billig werden. So kostet eine Fahrt von Potsdam nach Erkner 2,40 Euro, während man für den Kurztrip vom Alexanderplatz zum Zoo 2,10 Euro zahlen muss.

Kritiker bemängeln, dass entfernungsabhängige Tarife die Tarifstruktur kompliziert und unübersichtlich machen. Das Verkehrsgebiet wurde bisher bei dieser Variante in Zonen oder Waben aufgeteilt. Jedes Durchfahren eines solchen Bereichs kostet dann Geld. Das macht kurze Fahrten tendenziell billiger, lange aber teuer. So kostet beim entfernungsabhängigen Tarif in München die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Flughafen 8 Euro.

Die BVG will den Fahrpreis in Zukunft kilometergenau auf Basis der Luftlinie errechnen. Das sei für den Kunden am leichtesten nachvollziehbar und viel gerechter als eine Preisbindung nach Zonen, Linien oder Haltestellen. Auch Probleme wie unübersichtliche Zonen mit Preissprüngen beim Überschreiten einer Zonengrenze würden so entfallen, argumentieren die Planer.

Fahrten in der Nacht könnten zudem billiger werden als am Tag, Expressverbindungen dagegen teurer. Für Kinder, Schüler, Auszubildende, Studenten oder Schwerbehinderte könnte es bei jeder Fahrt eine Ermäßigung geben. Außerdem soll es Rabatte für Stammkunden geben. Je häufiger ein Kunde fährt, desto höher wird der Preisnachlass bei zusätzlichen Fahrten.

Dieses System erfordert jedoch ein elektronisches Ticket, das den Preis automatisch ermittelt. Die BVG will es schrittweise einführen, die S-Bahn hat dagegen noch Bedenken.

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