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Berlin: Das Werfen von Teigwaren ist einzustellen

Die Grünen diskutieren den Wohnungsmangel in Berlin, üben dabei Selbstkritik – und führen die Schwaben-Debatte weiter.

Das fängt schon mal gut an: Vier junge Männer, einer mit Baskenmütze, einer mit langen Haaren, zwei Wuschelköpfe, unterbrechen unter Getröte und Geschrei die Begrüßungsrede. Ein Plakat mit der Aufschrift „Keiner vertreibt uns“ haben sie auch dabei. Die vier sind vom Jugendclub „Kirche von Unten“, der in den Arkona-Höfen in Prenzlauer Berg untergebracht ist – noch: Der Club soll raus, die Gewerbehöfe sollen zu Luxus-Eigentumswohnungen umgebaut werden.

Genau um solche Themen geht es bei der „Grünen Großstadtkonferenz“, zu der am Sonnabend die Grünen in die Kalkscheune in der Johannisstraße eingeladen haben: explodierende Mieten, Gentrifizierung, mangelnder Wohnraum bei wachsender Bevölkerung. „Wir kennen euer Anliegen und wollen besonders heute nach neuen Wegen suchen“, besänftigte Bettina Jarasch, die Berliner Landesvorsitzende der Grünen, die Störenfriede, die schließlich friedlich von dannen zogen.

Grünen-Politiker aus ganz Deutschland, Städteplaner und Experten diskutierten mit dem Publikum. Außerdem wurde das „Bündnis für bezahlbares Wohnen in lebenswerten Städten“ vorgestellt, zu den Erstunterzeichnerinnen gehörten prominente Politikerinnen der Partei, darunter Renate Künast, Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Ex-Spitzenkandidatin bei der Berlinwahl, sowie Ramona Pop, Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus.

Die grüne Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Katrin Göring-Eckardt, sprach in ihrer Auftaktrede von „absurden Luxussanierungen“, die ähnlich absurde Reaktionen hervorriefen. In Anspielung auf Vorfälle in Prenzlauer Berg sprach sie vom „Werfen folkloristischer Teigwaren auf Denkmäler“ und sagte: „Solch heftiger Widerstand zeigt, wie groß die Not ist.“ Dass das auch in Süddeutschland der Fall ist, betonte Fritz Kuhn, Stuttgarter Oberbürgermeister, und wies auf ein weiteres Problem hin: „Die aus der Stadt verdrängten Bürger kommen als Autoverkehr zurück und verstopfen die Straßen.“ Kuhn warnte außerdem davor, die gerade veröffentlichten Zahlen des Mikro-Zensus misszuverstehen: Dass es mehr Wohnungen und weniger Menschen in einer Stadt gebe als angenommen, bedeute keinesfalls, dass kein Wohnraummangel herrsche.

Neben Kuhn schilderten auch Vertreter der Grünen aus München, Wien, Hamburg, Köln und Dresden Probleme und Lösungsmöglichkeiten zum Thema Wohnungsmangel. Die Problembeschreibung klingt allerorts ähnlich: Wohnungen sind knapp, energetische Sanierungen sind dringend nötig, führen aber wiederum zu Mietsteigerungen. Als Lösung wurde etwa die Nachverdichtung genannt, also die Nutzung von Freiflächen und das Aufstocken bereits existierender Häuser. Auch müssten Anreize für private Investoren geschaffen werden, sich im sozialen Wohnungsbau zu engagieren. Vor allem aber sollten Wohnungen wieder verstärkt in der Hand von Wohnungsbaugenossenschaften liegen.

Für Berlin sprach der scheidende Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz. Er kritisierte, die Stadt habe unter Führung von SPD und Linken im Gegensatz zu den anderen Großstädten die Wohnungsprobleme bis 2011 verschlafen, gar geleugnet. Inzwischen sei Berlin aufgewacht, „besonders die Bürger selbst mischen sich mit Initiativen ein, weil sie erkannt haben: Es kann nicht sein, dass das Einkommen darüber entscheidet, wo man wohnt.“Leonie Langer

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