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Berlin: Das Wowi-Festival

Lange Reden, Lieder und ein Film: Die SPD nominiert Klaus Wowereit einstimmig als Spitzenkandidaten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es ist keine Überraschung, aber jetzt amtlich: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit führt die Berliner SPD in den Wahlkampf. Er wurde gestern auf einem Landesparteitag der Sozialdemokraten einstimmig zum Spitzenkandidaten nominiert. Zwei Delegierte enthielten sich der Stimme. Zuvor hatte Wowereit in einer fast zweistündigen Rede die Gelegenheit genutzt, bundespolitisch Flagge zu zeigen und auch über die Integrationsprobleme der Stadt zu sprechen.

Nach der Abgeordnetenhauswahl am 17. September will er mit der PDS oder den Grünen weiterregieren. Eine Koalition mit „dieser Berliner CDU“ sei aber undenkbar. Da jubelten die 195 Delegierten im früheren Kosmos-Kino in der Karl-Marx-Alle, dem Tagungszentrum. Über die FDP verlor Wowereit kein Wort, und am Ende versprach er den Genossen: „Ich bleibe mir selbst treu.“ Pflegeleichter werde er sicher nicht werden. Es folgten minutenlange Ovationen und Wowereit eilte noch mal ans Podium und feixte: „Solche Nominierungsparteitage sind doch die schönsten“. Eigentlich war es kein Parteitag, sondern ein in die Farben der SPD getauchtes Wowi-Festival.

Um 11 Uhr 14 wurde via Satellit der SPD-Parteichef Kurt Beck aus Speyer zugeschaltet. Wegen des RheinlandPfalz-Tages, dem größten Fest seines Landes, war er nicht abkömmlich. Aber auf der Video-Leinwand machte er – überlebensgroß und etwas verschwitzt – dem Berliner Parteifreund artig Komplimente. „Es ist eine großartige Sache, was die Berliner Sozialdemokraten aus unserer gemeinsamen Hauptstadt gemacht haben.“ Er könne sich gar nichts anderes mehr vorstellen, als dass Klaus Wowereit und seine SPD die bestimmende Kraft in Berlin seien. Dann wünschte Beck noch „eine gute Zeit bis zu den Wahlen“ und ein Ergebnis wie in Rheinland-Pfalz.

Kaum erlosch das Bild von Beck und dem Dom zu Speyer, da schlenderte Sänger Klaus Hoffmann mit Gitarre auf die Bühne und gab dem anderen Klaus ein Ständchen: „Jeder will ein Stück vom Kuchen, ein Stück vom großen Glück.“ Wowereit lächelte versonnen, während hinter ihm am Parteitagstisch der Finanzsenator Thilo Sarrazin heimlich Akten las. Noch ein Lied, dann nahm Hoffmann seinen Freund Wowi kurz in den Arm, und es wurde ernst und still, weil der Vize-Kanzler und Ex-Parteichef Franz Müntefering seine Gastrede halten wollte.

„Münte“ redete lang, über die Arbeit der großen Koalition und über den Arbeitsmarkt und die Sozialpolitik, und zu Beginn verlor er auch ein paar Worte über den SPD-Spitzenkandidaten. „Meistens ist der Klaus freundlich, manchmal bärig-brummig, und wenn es nötig ist, kann er auch mal eine Tür eintreten.“ Da raunten die Delegierten. Die Hauptstadt sei mit diesem Regierenden Bürgermeister weiter gewachsen, fügte Müntefering hinzu. „Berlin darf sich nicht unterpflügern lassen.“ Da lachten die Delegierten.

Nur freundliche Worte an diesem Tag. Die Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer, die den Parteitag eröffnet hatte, nannte Wowereit einen „maßgeschneiderten Bürgermeister“. Auch der Kandidat verlor über sich selbst ein paar Worte, als er auf der Bühne interviewt wurde, um die Zeit bis zur Live-Schaltung mit Beck zu überbrücken. „Ich mag mich selber, ich mag die Menschen in der Stadt, und das kommt, so glaube ich, gut rüber.“ Zwischendurch – Film ab. „Mein Berlin.“ Der offizielle SPD-Wahlkampfstreifen, in dem sogar der CDU-Herausforderer Friedbert Pflüger vorkam. Lächelnd, mit Frau und Stadtplan, als Berlin-Tourist.

Seine Rede, frei gesprochen, begann Wowereit ein bisschen nervös, er sprach von einer „spannenden, turbulenten Zeit“ seit 2001, kam erst allmählich zur Sache. Großer Beifall brandete auf, nur Müntefering rührte keine Hand, als Wowereit rief: „Ich gebe den Kampf nicht auf, dass die deutsche Sozialdemokratie Mehrheiten links von der Mitte schmieden kann.“ Die Kanzlerin Angela Merkel forderte der SPD-Politiker auf, die Hauptstadt „zu ihrem Projekt“ zu machen. Beim Teilumzug des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin habe sich leider Bayern durchgesetzt. Es sei auch ein Anachronismus, so Wowereit, dass der Bund immer noch mehr Mitarbeiter in Bonn als in Berlin habe. Erneut forderte Wowereit, dass der Bund für die Sanierung der Staatsoper einspringt. Und es müsse endlich eine Entscheidung für den Aufbau des Stadtschlosses fallen.

Zur aktuellen Diskussion über „No-goAreas“ für Ausländer sagte Wowereit, so etwas dürfe es genauso wenig geben wie rechtsfreie Räume oder Parallelgesellschaften. Wo Gewalt entstehe, müsse der Staat „in radikaler Form“ Sicherheit bieten. Die Integration der Zuwanderer bleibe eine Herausforderung, aber sie sei keineswegs gescheitert.

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