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Bei ihnen wachsen die Zweifel an den rot-grünen Plänen: SPD-Landeschef Michael Müller und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.

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Dauerstreit um A 100: Rot-Grün steht noch auf der Kippe

Es wären auch Gespräche mit der CDU möglich: Der Streit um die A 100 nervt Berlins Sozialdemokraten. Sie sehen Vertrauen beschädigt - und kritisieren einen Spitzengrünen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Vorfreude in der SPD auf eine Koalition mit den Grünen ist großer Nachdenklichkeit gewichen. Der anhaltende Streit um die A 100, vor allem der Tonfall des Konflikts, beschädigen aus sozialdemokratischer Sicht die Grundpfeiler eines Regierungsbündnisses: Vertrauen und Verlässlichkeit. Sollten die Grünen auf ihrem Landesparteitag am Freitagabend hinter das zurückfallen, was in den Sondierungsgesprächen verabredet worden war, „dann ist es das gewesen“, sagte ein einflussreicher SPD-Mann.

In der Sache geht es darum, dass sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und SPD-Landeschef Michael Müller nicht darauf einlassen wollen, die Verlängerung der Stadtautobahn auf den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben. Außerdem sei es irritierend, dass der Ausbau des Flughafens in Schönefeld, die Tangentialverbindung Ost, die neue Landesbibliothek und andere Infrastrukturprojekte, auf die sich SPD und Grüne vor einer Woche grundsätzlich verständigt hätten, von den Grünen wieder infrage gestellt würden, heißt es in der SPD. Aussage steht gegen Aussage. Das rot-grüne Sondierungstreffen wurden nicht protokolliert – mit Ausnahme des Konsens zur A 100, und auch diese Formulierung wird von beiden Parteien unterschiedlich interpretiert.

Eigentlich wollten SPD und Grüne am nächsten Mittwoch mit den Koalitionsgesprächen beginnen. Aber jetzt sieht es so aus, als wolle die SPD-Führung vorab klären, ob der potenzielle Regierungspartner wirklich zu dem steht, was in den Sondierungen besprochen wurde. Man will nicht wochenlang Koalitionsverhandlungen führen, die keine Chancen haben, ein gutes Ende zu finden. Zumal die beiden Landeschefs der Grünen angekündigt haben, den Weiterbau der A 100 „ein für alle Mal kippen“ zu wollen.

Kritisiert wird auch die „Kampfrhetorik“ der Grünen. „Die müssen abrüsten“, heißt es in der SPD. Zwar bekannten sich die Sprecher der SPD-Linken, Dilek Kolat und Mark Rackles, und der Sprecher der pragmatischen Rechten, Jörg Stroedter, auch in den vergangenen, turbulenten Tagen noch klar zu Rot-Grün. Aber die Kohorten, die hinter ihnen stehen, schrumpfen offenbar. Vieles hängt von den Beschlüssen des Grünen-Parteitags ab. Die Änderungswünsche zum Vorstandsantrag reichen von einem Bekenntnis zum Sondierungskompromiss bis zur Forderung, „die A 100 aus der Regierung heraus zu stoppen“. Vorgeschlagen wird auch ein Volksentscheid zur Autobahn.

Im Mittelpunkt der SPD-internen Kritik steht Volker Ratzmann. Der Grünen-Fraktionschef, der mit Renate Künast die Sondierungsgespräche mit der SPD führte, sei immer wieder für eine böse Überraschung gut. Seine Strategie sei offenbar geprägt von persönlichen Karrierewünschen. Sollte es zu Rot-Grün kommen, gilt Ratzmann als Kandidat für einen Senatsposten. „Leider hat er seit Jahren eine Pechsträhne“, spottet ein SPD-Mann. Aus seinen Plänen für ein Jamaika- oder ein grün-schwarzes Bündnis in Berlin sei ebenso wenig was geworden wie aus dem Versuch, Bundeschef der Grünen zu werden.

Am Donnerstag trafen sich Wowereit, Müller, Ratzmann und der Grünen-Landesvorsitzende Daniel Wesener. Als Krisengespräch war es nicht geplant, sondern als organisatorische Vorbereitung von Koalitionsgesprächen. Dementiert wird aber nicht, dass der rot-grüne Zwist ebenfalls besprochen wurde. Die Sozialdemokraten stehen nun vor der Alternative: Rot-Grün trotz aller Risiken verhandeln und Wowereit frühestens am 10. November zum Regierenden Bürgermeister wählen. Mit einer Stimme über der notwendigen absoluten Mehrheit. Oder die Grünen wieder ausladen und der CDU Verhandlungen über ein Regierungsbündnis anbieten. Rot-Schwarz läge elf Stimmen über der absoluten Mehrheit.

Diese Entscheidung würde zügig fallen. „Wenn es knallt, dann schon am Wochenende“, hört man aus der SPD. Namentlich zitieren ließ sich am Freitag kein sozialdemokratischer Funktionsträger. Die Christdemokraten verfolgen das Schauspiel genüsslich. „Ich sehe nur Streit und Misstrauen“, sagte der CDU-Landeschef Frank Henkel. Er frage sich, ob die Grünen die Herausforderungen der Stadt wirklich begriffen hätten. Das gelte auch für den Ausbau der A 100. Ob die CDU einspringt, wenn Rot-Grün platzt, sagte Henkel nicht, aber: „Wir werden in jedem Fall gestalten. Als starke bürgerliche Opposition oder darüber hinaus. Wir sind uns unserer Verantwortung für Berlin bewusst.“

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