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Berlin: Dem anderen Gehör schenken

Regine Schneider (40) wusste schon immer, was sie wollte, aber auch, was nicht: heiraten zum Beispiel. In den letzten Monaten hat sich ihre Einstellung langsam verändert.

Regine Schneider (40) wusste schon immer, was sie wollte, aber auch, was nicht: heiraten zum Beispiel. In den letzten Monaten hat sich ihre Einstellung langsam verändert. Alte Eindeutigkeiten stimmten für sie plötzlich nicht mehr. Spontan und heimlich hat sie jetzt am 2. Juli geheiratet.

„Der Tod meines Vaters im vergangenen Sommer“, sagt sie, „hat bei mir einiges in Bewegung gebracht.“ Plötzlich seien neue Fragen aufgetaucht. „Was ist, wenn man alt oder krank wird? Wie und mit wem wünsche ich mir mein weiteres Leben?" Vom Heiraten waren sie und Ansgar Hess (35) da noch weit entfernt: „Bis dahin dachte ich, heiraten ist nur nötig, wenn man Kinder hat oder Steuern sparen will.“

Regine Schneider, in Gladbeck in eine Bergarbeiterfamilie hineingeboren, hat die Dinge immer schon pragmatisch gesehen. Mädchen durften nicht untertage arbeiten: Also lernte sie Kfz-Mechaniker. Danach hat sie studiert. Für ihren Beruf als Maschinenbauingenieurin ist Regine Schneider schon häufig umgezogen, für einen Mann noch nie. Vor zwei Jahren kam sie als Abteilungsleiterin einer großen Firma nach Berlin.

Ansgar Hess lebt in Frankfurt. Beim Drachenbootfahren in Hannover haben die beiden sich kennen gelernt. Seitdem führen sie eine Wochenendbeziehung – und das schon seit sechs Jahren. „Wir haben damit keine Probleme“, sagt Regine Schneider heute. Das war nicht immer so. Nach den ersten zwei Jahren ging den beiden die Puste aus. Sie war mit ihrem Job vollkommen ausgelastet, er baute in Frankfurt seine Drachenboot-Agentur auf. Sich dann auch noch auf Alltag, Sorgen und Nöte des jeweils anderen einzulassen, dazu fehlte beiden die Kraft. Die Beziehung ging in die Brüche, der Kontakt blieb. Seit sie wieder zusammen sind, haben die beiden eine Regel: Täglich telefonieren, egal wie anstrengend der Tag war, egal wie spät am Abend. Das funktioniert. „Wir können am Telefon oft sogar besser miteinander sprechen, als wenn wir uns gegenübersitzen“, sagt sie.

Als sie am 24. Mai nach einem gemeinsamen Wochenende miteinander telefonierten, kam das Gespräch auf das Thema Verbindlichkeit und wie gut sich ihre Beziehung entwickelt. Irgendwann fielen die Sätze: „Dann sollten wir wohl heiraten.“ – „Da hast du Recht.“ – „Wann?“

Fünf Wochen später sind Regine Schneider und Ansgar Hess verheiratet. Jeder bleibt in seiner Stadt. Ansgars Unternehmen in Frankfurt läuft gerade richtig an. Regine gefällt die Arbeit in Berlin. „Aber auf Dauer ist die Wochenendbeziehung keine Perspektive“, sagt sie. „Ich will mit Ansgar in einigen Jahren zusammenziehen. Mit ihm will ich alt werden.“ Ihre Hochzeit feiern die beiden im Winter, wenn die Drachenbootsaison vorbei ist, mit einer großen Fete nach. „Ich denke an eine Steuerklassenänderungsparty“, sagt sie – da spricht wieder die alte Regine. Ursula Engel

HOCHZEIT DER WOCHE

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