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Berlin: Demo-Arithmetik

VON TAG ZU TAG David Ensikat sagt, warum mehr oder weniger Leute demonstrieren. Im Augenblick kann noch niemand etwas sagen.

VON TAG ZU TAG

David Ensikat sagt, warum mehr

oder weniger Leute demonstrieren.

Im Augenblick kann noch niemand etwas sagen. Es ist 14 Uhr. Man ist vorsichtig geworden mit Teilnehmerzahlen von Friedensdemonstrationen. Man hat sich schon zu oft verschätzt. Die Veranstalter hofften gestern noch auf 100 000. Werden es weniger, wären dies die Gründe:

Das Wetter. Bei Sonne fährt man doch lieber hinaus ins Grüne.

Die Zeit. Von Tag zu Tag weiß man genauer, dass man mit Demonstrationen im alten Europa nichts ausrichten kann. Und der Mensch vergisst ja auch, er muss vergessen.

Die Erfahrung. 1991, beim ersten Golfkrieg, waren es anfangs viele und wurden immer weniger. Dies Jahr doch auch: 500 000 am 15. Februar, 100 000 bei der Lichterkette, 50 000 am Sonnabend vor einer Woche.

Das WirGefühl. Wenn die eigene Regierung die Meinung der Demonstranten teilt – gegen wen soll man im eigenen Land noch demonstrieren? Spanier und Briten haben es da leichter.

Wenn mehr Leute heute demonstrieren, wären dies die Gründe:

Das Wetter. Bei Sonne demonstriert sich’s schöner. Man ist ja an der Luft.

Die Zeit. Von Tag zu Tag werden die Bilder grausamer. Von Tag zu Tag weiß man genauer, dass der saubere, der schnelle Krieg Legende ist.

Die Erfahrung. Die Friedensbewegung wird nie mehr die von damals sein, hat es geheißen, es gibt keine Friedensbewegung mehr. Pustekuchen: 50 000 am vergangenen Sonnabend. 100 000 bei der Lichterkette. 500 000 am 15. Februar. Die Erfahrung lehrt: Ihr werdet euch noch alle wundern.

Das Wir-Gefühl. Wenn viele demonstrieren, wollen viele dabei sein. So werden es immer mehr.

Es ist 17 Uhr. Die Polizei spricht jetzt von 50 000 Teilnehmern, die Veranstalter sagen, sie seien nicht unzufrieden. Es gibt ja gute Gründe, dass es weniger sind als einmal angenommen: Das Wetter, die Zeit, die Erfahrung, das Wir-Gefühl.

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