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Berlin 08

© dpa

Politik-Festival: Den Mund aufgemacht

Beim Treffen "Berlin 08" diskutieren Tausende Jugendliche in der Wuhlheide über Politik – und wie man selbst etwas verändern kann.

Günay Özdemir hat gerade Motivationsprobleme. Die 23-jährige Politikstudentin aus Schöneberg verteilt zwar eifrig „Blätter für die deutsche und internationale Politik“ vorm FEZ. Aber das eigene bürgerschaftliche Engagement liegt etwas brach, „seitdem ich ein halbes Jahr in Südafrika war. Dort war das Hauptproblem, den Kindern etwas zu essen zu kochen, damit sie überhaupt kräftig genug waren, in die Schule zu gehen.“ Dagegen seien die Sorgen deutscher Jugendlicher Luxusprobleme, findet sie.

Ob Wahlrecht ab 14 oder Sicherheit persönlicher Daten im Internet: Um Themen wie diese geht es auch heute noch bei dem von Jugendlichen selbst organisierten Politikfestival „Berlin 08“ mit über 7500 angemeldeten Teilnehmern, unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Bundesjugendring. Da gibt es einen Speakers’ Corner, Debattierclubs und Workshops. Auch die gute alte Flipchart-Tafel kommt zum Einsatz. Es ist erst Samstagmittag, aber Meike Roden und Christian Büschl wollen schon wieder zum Ausgang. „Nein, wir gehen nicht, wir wollen nur diesen Stapel Infoprospekte zurück zum Zelt bringen und kurz Duschen gehen, da musste man heute morgen anderthalb Stunden anstehen“, sagen die beiden 16-Jährigen, die sich im Jugendrat ihres Heimatortes Schifferstadt in Rheinland-Pfalz engagieren.

Doppelt so viele Jugendinitiativen haben sich an der Vorbereitung beteiligt wie beim vergangenen Aktionsprogramm für mehr Jugendbeteiligung: Jetzt sind es insgesamt 800 Workshops, Filme, Freizeitaktivitäten, Konzerte und Diskussionsrunden, sagt der frühere Berliner Jugendsenator und jetzige Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger. Er erzählt gerade im Pressezelt Nachwuchsjournalisten, dass Jugendliche nicht „Politik ertragen oder sich davon beglücken lassen“ sollten, sondern dass „sie Politiker selbst zur Diskussion auffordern müssen“. Bei dem Festival sollen beide Seiten ins Gespräch kommen, deswegen seien auch rund 50 Bundestagsabgeordnete geladen. Elisa Dullweber, 19, schreibt fleißig mit und hakt kritisch nach. Sie ist für die Jugendseite der Oldenburgischen Volkszeitung zu „Berlin08“ gekommen. Was sie an Politik nervt? „Dass das alles so träge ist, dass das alles dauert, und wenn was durch ist, ist es schon veraltet.“ Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der sich einen Weg durch die Massen bahnt, sieht das anders. „Schnell geht es nur in einer Diktatur. Demokratie braucht die Diskussion, den Kompromiss.“ Auf dem Podium hat er gerade über die Idee eines Bundesjugendparlaments diskutiert. Thierse findet aber, dass Jugendliche ihre Sporen erstmal in Gremien etwa von Sportvereinen verdienen sollen. Da ist die 19-jährige Laura Schurig aus Marzahn-Hellersdorf kräftig dabei. Sie kann sich in ihrer Begeisterung für ihr Projekt, der „Youthbank.de“, die Jugendprojekte mit 50 bis 800 Euro fördert, kaum zügeln. „Wir können selbst was bewegen, und das ist ein tolles Gefühl.“ Andere sind mit weniger Ernst bei der Sache, kicken mit Plastikrohren, trinken teils etwas viel vom auf dem Gelände verkauften Weizenbier oder machen mit bei Projektgruppen wie dem „menschlichen Fischschwarm“. Da bewegen sich alle identisch und sollen fühlen, wie man vom kleinen Teil zum großen Ganzen wird. Überall gibt es die Demo-CD „Songs gegen Rechts“. Auch Culcha Candela und „Wir sind Helden“ mit Sängerin Judith Holofernes traten auf.

Derweil macht die Berliner Grünen-Abgeordnete Bilkay Öney wie andere Parteienvertreter Jugendlichen Mut: „Man kann auch in der Opposition Fehler aufdecken und Dinge anschieben. “ Und dann geht auch sie kochen, am Stand der Grünen Jugend.

Annette Kögel

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