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Berlin: Den Vandalen die Stimmung verdorben

Heimlich wollte die Neonazitruppe ihr 20-jähriges Bestehen feiern. 300 Polizeibeamte kamen als Überraschungsgäste

Von Frank Jansen

Eulenspiegel kneift ein Auge zu. Der Türsteher unter dem Schalk auf dem Eingangsschild auch, aber unter Schmerzen. Der Mann hat sich einem Spezialeinsatzkommando der Polizei in den Weg gestellt, das am späten Samstagabend in den „Erlebnistreff Eulenspiegel“ stürmt. Weniger kühn reagieren die vielen Gäste in der Marzahner Tanz- und Bowlingbar. Doch die Mienen sind grimmig. Es ist nicht gelungen, die Polizei zu täuschen. 300 Beamte unterbrechen die konspirativ geplante Feier zum 20-jährigen Bestehen der Berliner Neonazitruppe „Vandalen“. Die Musik ist aus, die Stimmung hinüber.

Knapp 200 Rechtsextremisten, darunter ein paar Frauen, müssen einzeln heraustreten und eine erkennungsdienstliche Behandlung über sich ergehen lassen. Die Beamten gucken gespannt, wer da alles auftaucht. In der Disko im Schatten eines elfgeschossigen Plattenbauriegels hat sich reichlich Szeneprominenz versammelt. Gekommen sind Oliver Schweigert, einst Anführer der Berliner „Nationalen Alternative“, der Hüne Bendix W., der kurz vor der Bundestagswahl den Grünen-Politiker Christian Ströbele attackierte, der 74-jährige Friedhelm Busse, ehemals Chef der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP)“, der frühere Kroatien-Söldner Eckart B. und natürlich der führende „Vandale“ Jean-René B., aufgefallen mit Waffenhandel und Mitglied der Rockgruppe „Landser“, die Generalbundesanwalt Kay Nehm jetzt wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt hat.

NPD-Funktionäre sind ebenfalls angereist. Der Glatzkopf Jens Pühse ist da, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Sachsen und Verbindungsmann der Partei zur Skinheadszene. Aus Ostbrandenburg hat sich Jörg Hähnel, „nationaler Liedermacher“ und obendrein Stadtverordneter in Frankfurt (Oder), nach Marzahn aufgemacht. Ein szenekundiger Polizist lächelt, „dass die NPD-Leute hier sind, ist ein Punkt mehr für die Befürworter des Parteiverbots“.

Von den „Vandalen“ selbst sind nicht alle zu sehen. Außer Jean-René B. hat sich nur eine Hand voll der Wikingerfans mit den schwarzen, runenverzierten Lederwesten eingefunden. Einige Mitglieder der 1982 in Ost-Berlin als „Ariogermanische Kampfgemeinschaft“ gegründeten Gruppe sind allerdings auch ohne „Kutte“ sofort zu erkennen: Sie tragen lange Zöpfe und manchmal auch wallende Bärte. Ein „Vandale“ raunzt eine Polizistin an, „ich lass’ mich nicht von einer Frau anfassen“. Die Beamtin tastet die Oberkörper der Neonazis nach Waffen ab, hin und wieder schaut sie auch nach Tätowierungen am Hals und im Nacken. Gerade rechtzeitig merkt der „Vandale“ dann doch, dass die Polizistin auf handfeste Hilfe ihrer zahlreichen Kollegen zählen könnte. Er lässt sich „anfassen“, zu finden ist nichts.

Die aufwendige Polizeikontrolle bringt insgesamt wenig Arbeit für die Justiz – eine Beleidigung, einmal Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Dennoch wertet Einsatzleiter Michael Knape die Aktion als Erfolg: „Wir haben der Szene gezeigt, dass sie im Nordosten Berlins nicht unbehelligt ein konspiratives Treffen veranstalten kann“, sagt der bullige Chef der Polizeidirektion 7. Und er lobt vor allem die Experten der Berliner Spezialeinheit PMS (Politisch Motivierte Straßenkriminalität), die in tagelanger Aufklärung herausfanden, wo die „Vandalen“ ihren 20. Jahrestag feiern wollten. „Das war saubere Arbeit“, Knape nickt einem PMS-Mann zu. Er und seine Kollegen wissen, dass die Szene solche Treffen nutzt, um Straftaten zu verabreden, bis hin zur Produktion von Hass-CDs im Ausland. Möglicherweise sind auch die anwesenden Neonazis aus den USA, Österreich und Ungarn nicht nur zum Konsum des deutschen Bieres erschienen. Jedenfalls ähneln ihre Blicke nicht dem Augenzwinkern des Eulenspiegel.

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