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Berlin: Der Ehrenlegionär

Diese Hände. Hardy Krügers Hände.

Diese Hände. Hardy Krügers Hände. Das erste Mal gesehen in einem alten Spielfilm. Welcher? Vergessen. Geblieben ist nur dieser schwarz-weiße Fetzen: Hardy Krüger, wie er an einem Türrahmen lehnt, in die Sonne blinzelt und eine Zigarette aus der Schachtel nestelt. Zoom darauf. "Mir hat mal einer gesagt, meine Hände seien die eines Zwitters. Weiblich-schlanke Finger und Handrücken eines Bauarbeiters", erzählt der Schauspieler und guckt sie an, die Gesprächsobjekte. Gebräunt heben sich die Finger von dem grünen Cordsofa im Adlon ab. Kräftiger als damals sind sie. Dicke, blaue Adern unter der Haut, ein paar Flecken sprenkeln sie schon. Krüger murmelt: "Wie ein Bauarbeiter, pfff, dabei bin ich so ungeschickt." Lacht dann das tief-poltrige Lachen, das seine Schultern durchschüttelt.

Ob die Händeszene vielleicht aus einem französischen Film stammt? grübelt Krüger. Oder doch aus "Zwei unter Millionen" (1961), dem Film, den Krüger "als Liebesgeschichte an seine Heimatstadt" bezeichnet? Thema: Ost-Berliner Mädchen verliebt sich in West-Berliner. Sprich: in Hardy Krüger, im wahren Leben ebenfalls West-Berliner. In Wedding wurde Hardy Krüger vor 73 Jahren geboren, von Mutter Gustchen, die ihren Sohn eigentlich Eberhard getauft hatte. Die Hände-Frage bleibt ungeklärt.

Für zwei Tage war Krüger, der in Kalifornien lebt, jetzt in seiner Heimatstadt, denn am Dienstagabend hatte er vom französischen Botschafter Claude Martin den Orden der Ehrenlegion entgegen genommen. In Berlin wird Hardy Krüger Ende November auch sein neues Buch vorstellen. "Szenen eines Clowns" heißt es und handelt von allem Lustigen, was Krüger als Hollywoodstar, als Autor und als Reisejournalist erlebt hat. Abenteuer in der ganzen Welt, und in Berlin und Brandenburg. Da ist zum Beispiel die Story von der Blitzdurchquerung der DDR zusammen mit Max Schmeling. Ärger mit Vopos, Verhaftung. Und dabei sollte Hardy Krüger am Abend doch an der Freien Volksbühne spielen. Die Rettung nahte in Form eines Milchwagenfahrers. "Ja, jetzt klingt das lustig", grinst Krüger.

Zweimal im Jahr ist Krüger in Berlin, dies ist Heimat, Deutschland ist Heimat. Dass das keine Floskel ist, konnte man bei der Ordensverleihung beobachten: Als der Botschafter Krüger dafür ehrt, dass er als Schauspieler den Franzosen geholfen habe, die Deutschen nach dem Krieg wieder mit anderen Augen zu betrachten, da zwinkert Krüger die Tränen weg. Schlicht sagt er dann, dass er die Ehrung stellvertretend für sein ganzes Volk in Empfang nimmt. Warum lebt er dann in den USA?

Eine Rolle spielt bestimmt, dass Anita Krüger Amerikanerin ist. Seit 24 Jahren sind die Krügers nun verheiratet. Es ist eine glückliche Ehe. Auch das war am Dienstagabend zu beobachten. "Wo ist denn meine Frau abgeblieben?", rief Hardy Krüger alle zehn Minuten. Einmal zog sie ihn an der Hand durch die Menge, ein anderes Mal küsste er sie schnell. Leichte, kleine Gesten. Lange haben die beiden in dieser Nacht noch über den Abend geredet. "Ich kriege die Augen kaum auf", seufzt Hardy Krüger.

Als Botschafter Deutschlands hatte die Zeitschrift Quick den deutschen Schauspieler 1960 bezeichnet. So sieht er sich immer noch. "In Amerika denken viele, dass wir Deutschen keinen Charme haben, keinen Humor." Leider gingen Deutsche nicht immer sehr geschickt mit ihren Mitmenschen um, meint Krüger. Auch mit ihm?

"Ist Ihnen aufgefallen, dass gestern Abend kein Vertreter der deutschen Regierung da war?" fragt Krüger leise. Immerhin sei er doch nach Marlene Dietrich erst der zweite deutsche Schauspieler, der diesen Orden erhalten habe. Verletzt ihn das? Ausweichend: "Ich bin eitel, aber nicht so eitel." Dann doch, als Nachsatz: Es sei schon merkwürdig, dass er anderswo immer aufmerksamer behandelt werde, als zu Hause. Die Filme, die für ihn Höhepunkte seines Schaffens sind - zum Beispiel "Sonntage mit Sybill" (1962), für den es sogar einen Oscar gab - seien in Deutschland kaum gewürdigt worden. Noch ein Grund, warum er hier nicht lebt?

Hardy Krüger ist unermüdlich. Zwölf Jahre Theater, dann die Filmkarriere, zwischendurch Buchautor. In den vergangenen zehn Jahren Reisereportagen fürs deutsche Fernsehen. "Es ist tödlich, zehn Jahre lang vom Filmbusiness wegzubleiben", sagt Hardy Krüger. Vielleicht gefällt ihm ja bald mal wieder eines der vielen Drehbücher, die ihm geschickt werden. Er vermisst das Filmen. Kann so jemand auch faul sein?

"Ganz wunderbar", meint Hardy Krüger und lächelt wieder. Einen faulen Sommer mit Anita hat er gerade hinter sich, südöstlich von Los Angeles. Da haben die Krügers vor Jahren schon einen Wald gekauft, "mit 100 Jahre alten Eichen". Mittendrin das Blockhaus: auf der einen Seite der Blick aufs Meer, auf der anderen in die Wüste. Anita hatte sich einen Steingarten gewünscht, also hat er ihn ihr gebaut, er, der Landmensch, der sich in einer Großstadt nicht lange wohl fühlt. "Ich stamme eben aus einer langen Linie von Kuh- und Ziegenhirten ab", sagt Krüger. "Im Ernst, meine Mutter hat mal einen Stammbaum aufgestellt."

Zum Abschied ein Händedruck, einer mit beiden Händen. Die Finger sind kräftig und warm, und die Haut ist ganz weich.

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