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Berlin: Der Fall Wurm wird zum Politikum

Warum war der Bankräuber auf Bewährung frei? CDU will Antworten von Justizverwaltung

Da hat ein Mann nicht nur eine Menge auf dem Kerbholz – insgesamt summieren sich seine Haftstrafen auf 17,5 Jahre –, sondern nutzt auch noch die erstbeste Gelegenheit, um das nächste Verbrechen zu begehen. Und so einer kommt auf Bewährung frei? So geschah es im Fall von Bankräuber und Busentführer Dieter Wurm – und das hat jetzt ein politisches Nachspiel. Die CDU will Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) dazu im Rechtsausschuss befragen, außerdem will sie im Innenausschuss die Debatte um den „finalen Rettungsschuss“ neu eröffnen. Für einen gezielten Todesschuss auf Wurm hätte die Berliner Polizei nämlich keine Rechtsgrundlage gehabt. In anderen Bundesländern, so auch in Brandenburg, ist das hingegen im Gesetz vorgesehen. Zum Fall Wurm wollte CDU-Rechtspolitiker Michael Braun gestern nichts Konkretes sagen, da er die Akten nicht kenne. Generell sei Berlin aber eher zurückhaltend mit Strafaussetzungen zur Bewährung.

Wurm saß seit 1984 praktisch ununterbrochen im Gefängnis. Erst verbüßte er eine sechseinhalbjährige Strafe, dann eine viereinhalbjährige, dann eine weitere sechseinhalbjährige. Regulär wäre er im Januar 2002 entlassen worden. „Seit der letzten Verurteilung sah es wirklich nach einem Bewusstseinswandel aus“, sagte Justizsprecher Björn Retzlaff gestern. Die Entlassung auf Bewährung sei aber immer eine Prognoseentscheidung, und in die Zukunft blicken könne nun einmal niemand. In den zwei Jahren, die Wurm auf freiem Fuß war, habe er die Bewährungsauflagen nicht verletzt und sei auch sonst nicht auffällig gewesen. Bis August 2001 habe er regulär bei der S-Bahn gearbeitet. Was er danach gemacht hat, ist nicht bekannt. Wurm habe in der Haft seinen Realschulabschluss nachgeholt und sich gut geführt, sagte Retzlaff.

Über die Strafaussetzung zur Bewährung entscheidet eine Kammer beim Landgericht. Sie hatte auch ein psychiatrisches Gutachten anfertigen lassen, das für Wurm günstig ausfiel. So wurde im November 2000 entschieden, ihn im Januar 2001 freizulassen, mit Bewährung bis November 2004. Er bekam vorschriftsgemäß einen Bewährungshelfer.

Die Zeit im Gefängnis dient vor allem dazu, den Gefangenen zu einem Leben ohne Straftaten zu befähigen. Erst in zweiter Linie soll die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten geschützt werden. So steht es im Strafvollzugsgesetz. Wenn sich das Ende der Haftzeit abzeichnet, wird der Vollzug gelockert. Deshalb wurde Wurm im April 2000 Freigänger. Das bedeutet, er durfte das Gefängnis ohne Aufsicht verlassen und draußen einer Beschäftigung nachgehen. Abends musste er wiederkommen. Das klappte problemlos.

Jetzt folgen Anklage und vermutlich Verurteilung für die neue Tat. Dann wird die Aussetzung des alten Strafrestes zur Bewährung widerrufen und das noch fehlende Jahr an die neue Strafe hinten angehängt.

Fatina Keilani

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