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Berlin: Der Griff nach den letzten Reserven

Der Nachtragshaushalt des Senats spart fast niemanden aus – trotzdem wächst der Schuldenberg weiter

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es wird wieder gespart: An den Lernmitteln für die Schulen, am Fahrdienst für Behinderte, bei der Anschaffung neuer Rettungsfahrzeuge, bei den Hochschulen, der Kultur usw. Und es werden neue Schulden gemacht: 471 Millionen Euro allein in diesem Jahr. Der Senat sah sich gestern gezwungen, für den Nachtragshaushalt 2003 unangenehme Beschlüsse zu fassen, um den Etat ausgleichen zu können. „In der Senatssitzung hatte der eine und andere Kollege steigenden Blutdruck“, verriet Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD).

Verkraftet werden müssen in diesem Jahr nicht nur 471 Millionen Steuerausfälle wegen der anhaltend schlechten Wirtschaftslage. Sondern auch 180 Millionen Euro Mehrausgaben für die bezirklichen Sozial- und Jugendämter (Transferausgaben) und weitere 39 Millionen Euro für die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) sowie die Betriebskrankenkasse Berlin (BKK). Zum Ausgleich kratzte der Senat in intensiven, zeit- und nervenraubenden Beratungen jede Menge kleiner Sparmaßnahmen zusammen. Einen vollständigen Überblick hatte gestern nach der Kabinettssitzung auch Finanzsenator Sarrazin nicht.

Gestrichen wurden beispielsweise: ein großer Teil der schulischen Lernmittel (15 Millionen Euro); Gelder für die Beschaffung von Fahrzeugen des Rettungsdienstes; Beiträge für die Unfallkasse; Zuschüsse für den Telebus-Fahrdienst (1,2 Millionen Euro); Zuwendungen für die Soziale Künstlerförderung; Mittel für die Tarifvorsorge der Hochschulen; ein kleiner Teil der Zuschüsse für die Staatsoper und die Komische Oper. Außerdem Mittel für Bauinvestitionen und die bauliche Unterhaltung und Landesanteile für die Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur. Das Stadtentwicklungsressort musste also den Löwenanteil des Nachtragshaushalts tragen, der nun in die parlamentarische Beratung geht und vor der Osterpause vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden soll.

Der Sozialetat trägt insgesamt 20 Millionen Euro zur diesjährigen Haushaltskonsolidierung bei, die Innenverwaltung muss 18 Millionen Euro hergeben, während der Finanzsenator bei Kultur und Wissenschaft nur 4,5 Millionen Euro abholen konnte. Eigentlich sollte Kultursenator Thomas Flierl in diesem Jahr 30 Millionen Euro einsparen, wusste aber nicht wo, und ist nun aus dem Schneider. Mit einem weiteren Beschluss hat der Senat übrigens deutlich gemacht, dass er es mit dem sofortigen Ausstieg aus der Wohnungsbauförderung ernst meint. Weil dies zunächst mehr Geld kostet als spart (wegen möglicher Bürgschaftszahlungen und Mieterhilfen), wurden in den Etat 2003 zusätzlich 12 Millionen Euro für diesen Zweck eingestellt.

Und nun das Zahlenwerk des BerlinerNachtragsetats im Überblick: Per saldo werden für das öffentliche Personal 38 Millionen Euro mehr ausgegeben als vorher geplant. Die konsumtiven Sachausgaben werden um 117 Millionen Euro höher angesetzt. Um dies auszugleichen, werden die Investitionsausgaben um 62 Millionen Euro gesenkt – und der Finanzsenator hat Glück. Die Zinsausgaben sinken 2003 um 77 Millionen Mark wegen der gegenwärtig niedrigen Kreditzinsraten. Die Steuerausfälle werden nicht durch Sparmaßnahmen, sondern durch eine höhere Verschuldung abgedeckt. Sarrazin kann aber nicht ausschließen, dass die nächste bundesweite Steuerschätzung (im Mai) noch schlechtere Zahlen bringt. Auch die Höhe der Sozialausgaben bleibe ein Risikoposten.

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