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Berlin: „Der größte Feind des Engagements ist der Papierkrieg“ Senatskanzleichef Schmitz sieht sich als „Botschafter für das Ehrenamt“

Herr Schmitz, Sie wurden im September zum Beauftragten für Bürgerschaftliches Engagement ernannt. Was macht bitte schön ein Bürgerschaftsbeauftragter?

Herr Schmitz, Sie wurden im September zum Beauftragten für Bürgerschaftliches Engagement ernannt. Was macht bitte schön ein Bürgerschaftsbeauftragter?

Rund 600 000 Berliner engagieren sich ehrenamtlich in Parteien, Kirchen, Schulen, Vereinen. Eine Gesellschaft käme ohne dieses Engagement in Zeiten der finanziellen Cholera in den Haushalten auch gar nicht mehr aus. Der Staat zieht sich zunehmend zurück auf Kernaufgaben. Und deshalb wird eigenes Engagement auch für unsere Gesellschaft immer wichtiger. Wir wollen das hier im Rathaus begleiten und die Bürger zum Beispiel durch vereinfachte Verwaltung in ihrem Einsatz unterstützen. Meine Aufgabe ist es, dieses Engagement öffentlich anzuerkennen und zu koordinieren. Ich sehe mich als Botschafter für das Ehrenamt.

Bürgerschaftliches Engagement bedeutet weniger staatliche Fürsorge. Ist das das Ende vom behütenden Sozialstaat?

Nein. Engagierte Bürger sollen nicht dazu instrumentalisiert werden, Lücken im Gesellschaftssystem zu schließen. Aber in der Tat wird bürgerschaftliches Engagement immer wichtiger. Das geht los bei ehrenamtlichen Trainern in den Sportvereinen, über Senioren, die die Kinder behüten, bis zu Eltern, die die Schule ihrer Kinder renovieren. Wir erleben gerade einen dramatischen Umbau des Sozialstaats. Vielen Berlinern fällt es durch die Historie bedingt heute noch schwer, sich von dem Gedanken zu verabschieden, dass der Staat alles regelt.

In Berlin engagiert sich nur jeder Vierte ehrenamtlich. Berlin liegt zehn Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Woran liegt das?

Bürgerschaftliches Engagement im Kulturbereich unserer Stadt, Stichwort Museumsinsel, war historisch geprägt durch den Einsatz der großen jüdischen Familien in Berlin. Dies ist durch die Shoa ausgelöscht worden. Durch den Mauerbau ist überdies eine potenziell bürgerschaftlich engagierte Schicht abgewandert. Unter diesen gesellschaftlichen Umwälzungen leidet Berlin immer noch. Außerdem herrscht in Berlin noch ein bisschen Versorgungsmentalität.

Was tut das Land, um die Bürger zu mehr ehrenamtlicher Tätigkeit zu motivieren?

Ganz klar: Die größte Erfolgsquote erreicht man, wenn man Bürger persönlich anspricht. Der Staat kann die Rahmenbedingungen verbessern: Das Ehrenamt muss mehr gefördert werden. Wir organisieren Stifungstage, bei denen die Ehrennadel im Rathaus verliehen wird. Der Versicherungsschutz für Ehrenamtliche muss von Seiten des Staates verbessert werden. Wir prüfen, inwieweit das Land Rahmenvereinbarungen mit Versicherungskonzernen abschließen kann. Ehrenamtliche benötigen überdies Räume für ihre Arbeit. Berlin hat viele leer stehende Liegenschaften. Wir überlegen, Gebäude für die Zwischennutzung zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssen Abrechnungsfragen entbürokratisiert werden. Der größte Feind des Engagements ist der Papierkrieg.

Das Gespräch führte Sabine Beikler.

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