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Berlin: Der Haushalt wird im Parlament gemacht – vorläufig

Etat-Debatte: Die rot-rote Koalition hat dem Sparzwang Entscheidungsfreude abgewonnen und hofft, dass die Opposition nicht erneut klagt

Wer dieser Tage über Geld und Politik spricht, kleidet sich schwarz. Schwarz ist die Anzugfarbe, in der die Vormänner der rot-roten Koalition, SPD-Fraktionschef Michael Müller und PDS-Fraktionschef Stefan Liebich, den Doppelhaushalt 2004 begründeten. Im nachtblauen Nadelstreifengewand konterte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit an diesem Tag, der eigentlich zu den Höhepunkten des parlamentarischen Jahres gehören soll, die Angriff der Opposition. Doch war es eine dunkle Debatte über den insgesamt 43,5 Milliarden Euro umfassenden Zweijahres-Etat. Das lag aber weniger an den Rednern. Es lag auch nicht daran, dass mit den Berliner Finanzen zwanghaft depressive Gefühle verbunden sind. Es lag gewiss nicht am Protest gegen die Sparpolitik, der sich in der Nacht zuvor in Farbbeutelwürfen gegen das Parlament ausgedrückt und zu einigen Festnahmen geführt hatte.

Es lag an der merkwürdigen Offenheit der Entscheidung über den Haushalt: Das Parlament mochte ihn beschließen. Zwei Oppositionsparteien, die CDU und die FDP, behalten sich eine weitere Verfassungsklage gegen den Etat vor. Die Berliner Finanzpolitik bleibt ein schwebendes Verfahren.

Das erfüllt keinen Politiker mit einem guten Grundgefühl. Zumal dann nicht, wenn man wie SPD-Fraktionschef Michael Müller meint, „die richtige Balance“ zwischen dem Konsolidierungszwang und dem eigenen Gestaltungsanspruch gefunden zu haben. Müller brachte es fertig, die Liste rot-roter Investitionen tatsächlich lang erscheinen zu lassen. So entstand der Eindruck, es gebe bei aller Not doch eine politische Prioritätenliste. Müller nannte vorneweg „Bildung und Wissenschaft“, sprach von den 15 Millionen, die der Senat im Doppelhaushalt für den Umzug der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft ausgebe, von den Kindertagesstätten, die sich Berlin mehr kosten lasse als der Rest der Republik, von den 93 Millionen Euro, die der Senat in Schulen, Turnhallen und Sportplätze investiere. Geld – das war Müllers Botschaft – ist noch da, Politik werde weiter im Roten Rathaus und im Parlament gemacht, nicht im Landesverfassungsgericht. Und zwar mit Ergebnissen: Schulgesetz, Tarifeinigung im öffentlichen Dienst, RBB-Senderfusion, Investorenanlaufstelle, Gebäudemanagement, Stellenpool, Ende der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau, Opernreform – aus Ankündigungen seien Entscheidungen geworden, sagte Müller.

Geld – das war danach die Botschaft von PDS-Fraktionschef Stefan Liebich – ist noch da, aber nicht genug. Deshalb muss es umverteilt werden. Müller hatte versucht, die sozialdemokratische Stadt in Zeiten der Geldknappheit als Politikidee zu verkaufen, Liebich brachte es fertig, knallrote Akzente in der Stadtpolitik zu entdecken: Die Kita-Gebühren seien nur für die teuer geworden, die mehr hätten, man habe Geld, um Sozialhilfeempfängern Arbeit anzubieten. Gekürzt habe der Senat bei alt-west-berlinischen Privilegien wie der Anschlussförderung. Von wegen Problemhauptstadt: Die Mauern zwischen Ost und West seien kleiner geworden sagte Liebich und „Berlin ist eben mehr als ein Sanierungsfall“. Berlin ist für den PDS-Politiker der Ort, an dem aus der Umverteilung von wenig Geld „Gerechtigkeit“ entsteht.

Den ideellen Überbau überlässt der Regierende Bürgermeister gerne anderen. Klaus Wowereit hatte der Debatte und den Angriffen der Opposition in entspannter Lässigkeit zugehört. Er hatte gegrinst, als FDP-Fraktionschef Martin Lindner wegen Wowereits hohem Promi-Faktor sage, der Regierende mache ja „keine schlechte Figur“. Dann lobte Wowereit die Arbeit der Koalition, sprach vom „Aufschwung“ bei den Touristenzahlen, von den Neuansiedlungen in der Medienbranche, davon, dass Berlin wieder Modestadt werde, während Düsseldorf versuche, es zu bleiben und von hunderten, wenn nicht tausenden Arbeitsplätzen.

Doch wie Müller und Liebich wies auch Wowereit die Opposition auf das Dilemma hin, das in einer weiteren Berliner Verfassungsklage gegen den Haushalt liegt. Eine erfolgreiche Klage schwächt – das glauben alle drei – die Chancen des Senats bei der Klage auf Sanierungshilfe in Karlsruhe. Die Karlsruher Richter müssten denken, dass der Senat noch immer nicht streng genug spart.

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